Zuletzt sprachen wir mit der Band aus Aachen zum Jahreswechsel 2017/18, es ist also einige Zeit ins Land gezogen. Nun ereigneten sich seither aber nicht nur negative Dinge. Sängerin Celina und Kontrabassist Nick haben nämlich derweil die Eheschließung vollzogen. Was machen Eheglück, Plattenaufnahmen und Konzertlosigkeit mit den Aachenern? Celina und Nick, der auch als Booker und Promoter tätig ist, haben verständlicherweise einiges zu erzählen.
Starten wir gleich mal mit einem Satz aus unserem letzten Interview in Ox #136: „Gewappnet sind wir aber grundsätzlich für alles.“ Das war deutlich vor dem Corona-Virus. Ist das alles wie ein einziger Alptraum mit Fortsetzung?
Celina: Gewappnet war für diese Situation natürlich niemand. Nick und ich genießen aber das Privileg, diese Krise zu zweit zu überstehen. So haben wir zumindest die Möglichkeit, gemeinsam weiter an Songs zu schreiben, auch wenn Proben mit der gesamten Band lange Zeit nicht möglich waren. Einen Alptraum erleben wir in dem Sinne als Band nicht, weil 2020 sowieso vergleichsweise ruhig geworden wäre, was Konzerte angeht.
Inzwischen habt ihr beiden ja geheiratet. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich eine Beziehung dadurch noch einmal deutlich verbessert. Wie ist das bei euch? Und färbt das sogar auf die Band ab?
Celina: Ich hasse ihn und es färbt ganz deutlich auf die Band ab ...
Nick: Es ist natürlich cool, als Paar gemeinsam diese wilde Zeit als Band zu erleben und immer gemeinsam unterwegs sein zu können. Wir haben gelernt, darauf zu achten, dass wir nicht zu einseitig entscheiden beziehungsweise unsere gemeinsame Meinung nicht automatisch über der der anderen beiden steht. Das funktioniert aber alles sehr gut, schließlich sind wir vier schon viele Jahre befreundet und die meiste Zeit unserer Bandkarriere kein Pärchen gewesen.
In letzter Zeit habt ihr ab und an einen Song als Single ins Netz gestellt. Ist das eine Möglichkeit, ständig im Gespräch zu bleiben?
Nick: Ich arbeite ja in der Musikindustrie und habe, wie viele andere auch, begriffen, dass auch in unserem Genre das „Single-Game“ ein bisschen mitgespielt werden muss, wenn man mit der Zeit gehen und das digitale Publikum abholen möchte. Es ist ja auch so, dass das ein toller Weg ist, seine Songs zu präsentieren, ohne auf den wesentlich komplexeren Release eines Albums zu warten. Bei „Tik tik tik“ war das eben perfekt, denn mit einer Single konnten wir unseren neuen Sound präsentieren und neue Leute ansprechen. Ich finde, im Bereich Punkrock wollen die Leute aber immer noch ein gesundes Mittelmaß aus Singles und Alben.
Nun habt ihr auch mal wieder ein physisches Produkt am Start, die neue 10“ „A Part“. Als „schnell und punkig“ wurde sie bei uns im Heft vorgestellt. Ist das ein Trend, weg vom Punkabilly? Mit THE HELLFREAKS und BONSAI KITTEN haben sich ja schon zwei Punkabilly-Bands mit Frauenstimme von dieser Musikrichtung abgewandt ...
Celina: Dass wir unseren Stil etwas verändert haben, hatte jetzt nichts mit einem Trend zu tun, sondern das ist beim Schreiben der Songs passiert. Wir kommen ja alle sowieso mehr aus dem Punkrock und es hat sich ganz natürlich ergeben, weil wir schon immer einfach gemacht haben, worauf wir Lust hatten. Wenn bei einer Fusion zweier Musikstile Billy eben ein bisschen kürzer kommt, dann ist das eben so.
Nick: Bei anderen Bands, ob aus künstlerischer Sicht oder aus Marketinggründen, machte so ein Wechsel ja durchaus auch Sinn. Die HELLFREAKS sind alte Touring-Freunde von uns und ich finde, dass ihre neue Musik ihnen viel besser steht. Wir sind jetzt nur eben – zumindest meine ich das irgendwie – von so einer latenten Metal-Lastigkeit hin zu erdigerem Punk übergegangen. Aber meinen Kontrabass musst du mir erst aus den toten kalten Händen reißen!
Kommt die Scheibe wegen oder trotz Corona heraus, und wann folgt ein neues Album?
Celina: Weder noch eigentlich. Die vier Songs haben wir bereits 2019 produziert und wollten sie für ein neues Album „verwahren“. Da sich aber das Material schnell gestapelt hat und wir dann in ein neues Tonstudio gehen wollten, womit sich ja der Sound auch geändert hätte, haben wir entschieden, dass diese vier Songs für sich stehen sollen. Ein neues Album nehmen wir hoffentlich noch diesen Sommer auf, für einen Release nächstes Jahr. Darauf freuen wir uns alle unheimlich, denn es gibt sehr viel neues Material, das uns wahnsinnig gut gefällt – wir hatten ja auch genug Zeit zum Schreiben!
Euer Gitarrist Manni sagte im letzten Interview, dass es eine „bessere Vorproduktion, besseres Songwriting und persönlichere Texte“ waren, was euch bei der ersten LP „Born Sick“ ausmachte. Wird dies so beibehalten, ist da die „ruhige Zeit“ sogar von Vorteil?
Nick: Das kann man schon so sagen, ja. Wir sind immer eine Live-Band gewesen und taten uns früher schwer mit Studioproduktionen. Seit „Born Sick“ hat sich das etwas gewandelt und 2020 haben wir uns, wie so viele andere auch, intensiv mit Home-Recording auseinandergesetzt, so dass wir jetzt wesentlich besonnener und professioneller an unsere Songs rangehen – wer hätte das gedacht!
Celina: Was die Texte angeht, ist „persönlich“ weiter das Stichwort. Unsere neuesten Lieder sind definitiv die persönlichsten, die wir bisher gemacht haben.
Nick, du bist schon eine Weile als Booker tätig. Wie plant man da momentan das eigentlich nicht Planbare?
Nick: Darauf kann, glaube ich, derzeit niemand eine konkrete Antwort geben. Ich tausche mich viel mit Kollegen aus, die zum Teil wesentlich größere Projekte stemmen müssen, die schieben natürlich stets hin und her. Ich persönlich arbeite im Vorfeld wichtige Projekte ab und suche nach Konzerten für die nächsten paar Jahre, aber trete da auf jeden Fall wesentlich weniger aufs Gas als sonst, denn diese Arbeitsstunden gibt dir ja niemand zurück. Es wird schon gebucht, überall, nur eben nicht so intensiv wie vorher.
Meine Sorge ist auch, dass man in kleinen Clubs später nur noch mit Test oder Impfpass reinkommt, man mindestens 25 Euro Eintritt zahlt und das Flaschenbier 5,50 Euro kostet. Könnte das so kommen?
Nick: Zu prognostizieren, was da kommt, ist schwer. Ich denke, dass die kleinen Sachen kleiner und die großen Sachen größer werden, so dass auch alles unterm Strich teurer wird. Das muss aber erst mal nichts Schlechtes sein, finde ich, denn alle Beteiligten müssen sich auch einfach finanziell von der Krise erholen. Wie das alles nachher aussieht, das wüsste ich auch mal gern! Das mit dem Impfpass könnte in der ersten Zeit noch passieren, wird sich aber auch nach einer Weile wieder relativieren, sofern uns jetzt nicht ein Killervirus nach dem anderen heimsucht!
Besteht die Gefahr, dass sich „Klein und Groß“ noch weiter voneinander entfernen, also die ausgehungerten Musikfans bevorzugt zu den großen Acts gehen?
Nick: Ich habe eigentlich große Hoffnungen für die kleinen Bühnen. Aber ja, die Gefahr besteht akut, dass das Clubsterben jetzt so rapide beschleunigt worden ist, dass du als weniger bekannte Band kaum noch Headliner-Touren fahren kannst und dich weiter nach oben strecken musst.
Wie managest du das generell, die eigene Band voranzubringen, aber sich genauso fleißig für andere Combos zu bemühen? Kommt da bisweilen mal Neid und Missgunst auf?
Nick: Es ist tatsächlich anfangs schwierig gewesen, gegen Bezahlung das zu tun, was man für die eigene Band einfach macht, weil man weiterkommen möchte, aber mit den Jahren lernt man, das zu differenzieren. Ich arbeite derzeit fast ausschließlich als PR-Manager für Künstler:innen und habe jeden Tag acht Stunden damit zu tun, die Musik der anderen zu pushen und dabei nicht zu vergessen, dass ich ja selber auch noch eine Band habe. Das funktioniert aber, denn du lernst, Geschäftliches und die eigene Leidenschaft weitestgehend zu trennen. Ich arbeite ja auch viel für ganz andere Genres, wo sich gar nichts überschneidet – mein Booking wird definitiv auch kleiner werden.
Celina: Es ist natürlich schon mal vorgekommen, dass wir uns dachten: Wieso bekommen die jetzt den Gig und nicht wir? Aber man lernt mit den Jahren, dass jede Band ihre eigenen Erfolge verdient hat, weil sie wahrscheinlich genauso hart arbeiten wie wir. Man sollte sich stets für andere freuen und statt neidisch zu sein, sich selbst fragen, was man verbessern kann.
Euer Rezept gegen die Düsternis sei noch nachgefragt, da ich euch schon immer als enorm positive Menschen wahrnehme. Also was ist euer Geheimnis?
Celina: Die drei dicken B: Bücher, Bier und Budenzauber. Wir lesen gerade zum Beispiel ein Buch von Benedict Wells. Bei einem kühlen Bier ein paar Platten aufzulegen oder zusammen Musik zu machen, ist nie verkehrt. Brettspiele sind auch empfehlenswert. Allerdings sollte man ein guter Verlierer sein und nicht riskieren, dass danach die Ehe auf der Kippe steht.
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