BLACK STAR FOUNDATION RECORDS

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Anarchie betrügt dich nie

Das Programm des schwedischen Labels reicht von ATLAS LOSING GRIP über HOLMES bis zu PG.LOST, von Punkrock über Singer/Songwriter-Klänge bis zu Postrock, eine musikalisch rote Linie gibt es nicht, wohl aber eine inhaltliche. Denn Emil, der bei Black Star Foundation aus Malmö die Fäden in der Hand hält, ist Anarchist und Verfechter des D.I.Y.-Gedankens. Nachdem wir uns nach vielen Mails kürzlich in Wuppertal auch persönlich kennenlernten, schickte ich ihm bald darauf ein paar Interviewfragen – per Mail.

Emil, was ist die Black Star Foundation?


Ich war schon immer sehr begeistert von der D.I.Y.-Kultur, obwohl ich als 16-jähriges Szene-Kid diesem Begriff noch gar nicht kannte. In kleinen Städten entwickeln die Leute ja Leidenschaften für verschiedene Dinge, zum Beispiel für Sport, in meinem Fall war es die Musik. In einer Band zu sein macht aber viel mehr Spaß, wenn man auch Shows spielen kann, und wenn sich keiner für dich darum kümmert, musst du dich eben selbst kümmern. Keine unserer Bands veröffentlichte richtige Alben, wir haben Demotapes aufgenommen. Nach einer Weile entwickelte sich die Szene, stark beeinflusst von der aufkeimenden Hardcore/Punk-Szene in Umeå. Als wir also Demos verschickten, Shows buchten und abgelehnt wurden von jedem Label, das es gab, wenn wir uns bewarben, muss ich wohl drauf gekommen sein, dass ich in der Lage bin, mein eigenes Label zu betreiben. Und nebenbei bemerkt, das war, bevor es das Internet gab. Und so entstand Black Star Foundation.

Dein Labelkatalog reicht zurück bis ins Jahr 1999. Wie sieht die Labelgeschichte aus, was sind die Höhen und Tiefen?

Am Anfang haben wir viel mit anderen Labels zusammengearbeitet und versucht, unsere Bands so viel wie möglich touren zu lassen. Zu dieser Zeit spielte ich selbst in einigen Bands, die sehr viel unterwegs waren, zum Beispiel CHILDREN OF FALL. Dadurch konnte ich natürlich unsere Veröffentlichungen immer mitnehmen, wenn wir auf Tour waren. Außerdem habe ich während dieser Zeit einen guten Überblick bekommen, welche Fanzines Promomaterial bekommen sollten, und habe auch viel mit Veranstaltern über die Bands auf dem Label gesprochen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass viele Leute bei den Shows vorbeikamen, um mal zu checken, was es so Neues gab. Wir hatten immer einen tragbaren CD-Player dabei, so dass die Leute sich die CDs direkt am Merchstand anhören konnten, das hat man wohl sehr zu schätzen gewusst. Höhen und Tiefen gab es natürlich viele in unserer Geschichte. Einen Deal mit dem skandinavischen Vertrieb Sound Pollution und vor allem mit Cargo für den Rest Europas zu bekommen, war für uns ein großer Schritt. Die größten Enttäuschungen waren Bands, die sich zu schnell wieder aufgelöst haben, oder Touren absagen zu müssen aus Gründen, die man nicht kontrollieren kann, Grenzkontrollen zum Beispiel oder Probleme mit dem Auto. Alles in allem wurden wir aber nicht allzu sehr abgezockt, denke ich.

Der schwarze Stern im Labelnamen ist offensichtlich ein Verweis auf Anarchismus. Welchen Hintergrund hat das?

Ein Label braucht einen Namen, und da ich selbst Anarchist bin, dachte ich, dass das ziemlich gut passt. Ich wollte die Bands immer so weit wie möglich mit in die Arbeit einbeziehen und die Struktur eines Kollektivs möglichst beibehalten. Am Anfang war das Label eine Non-Profit-Organisation, also eine „Foundation“, eine Stiftung, in der die Bands auch richtige Mitglieder waren, somit auch an der Gestaltung des Labels mitwirken konnten und grundlegenden Einfluss hatten darauf, wie es aufgebaut ist. Etwas alleine zu machen, kann Spaß machen, aber es macht oft viel mehr Spaß, etwas gemeinsam zu machen. Man bekommt immer neuen Input, kreative und gute Ideen von anderen Menschen, das hat letztlich so viel beigetragen zu diesem Label. Es gab bei den Bands ein paar Leute, die haben sich da auch wirklich eingebracht, und das hat so jahrelang ziemlich gut funktioniert. Leider hat uns das Finanzamt vor ein paar Jahren gezwungen, diese Struktur zu ändern. Trotzdem versuchen wir weiterhin, die Bands bestmöglich mit einzubeziehen. Ich möchte, dass sie sich als Teil von etwas sehen, das viel mehr sein kann als nur ein Label.

Musikalisch auf „Anarcho-Punk“ festgelegt ist BSF deswegen aber nicht wirklich. Wo liegen deine musikalischen Interessen, was verbindet die Bands auf deinem Label, die ja recht unterschiedlich sind.

Ich glaube, es kommt vor allem auf die Haltung der Band an. Die Bands auf dem Label müssen natürlich keine Anarchisten sein oder in allem bis in letzte Detail übereinstimmen. Aber an irgendeinem Punkt muss man immer etwas gemeinsam haben, etwas, worauf man sich einigen kann und auf dem künftige Projekte aufbauen können. Alle Bands auf dem Label sind in irgendeiner Form politisch eher links, Vegetarier oder Veganer, Feministen oder haben sonst wie gute Ansichten bei Themen, die uns wichtig sind. Allgemein finde ich es nicht so wichtig, die Bands in bestimmte Schubladen zu stecken. Wenn eine Band eine gute Einstellung hat, ist es immer möglich zu erkennen, worum es ihnen geht. Bands ohne Botschaft oder eine gewisse Haltung sind für mich uninteressant. Um zusammenarbeiten zu können, braucht man eine solide gemeinsame Basis. Natürlich braucht es einige Gespräche bis man diesen Punkt erreicht, aber am Ende lohnt sich das. Sowohl als Label als auch als Band investiert man so viel, nicht nur Geld, auch Zeit und Energie. Auf diesem Level der alternativen „Musikindustrie“ ist es die Sache nicht wert, ein Projekt mittendrin abzubrechen, nur weil man sich nicht mehr einigen kann.

Wie sieht die Szene in Schweden aus, der du angehörst?

Ich würde sagen, hier gibt es nicht viel an Szene, das wirklich erwähnenswert wäre. Es gibt Millionen von Bands in Schweden, aber von neuen Bands erfahre ich höchstens etwas, wenn ich den amerikanischen Blog „It’s a trap“ lese, oder ich treffe sie auf Konzerten in Deutschland. Es gibt nicht viele Magazine oder Fanzines hier, die die Fülle an existierenden Bands abdecken können. Außerdem kannst du die Bands in Schweden live kaum sehen, es ist schwierig, Auftritte zu bekommen und Leute dafür zu interessieren, da auch hinzugehen. Früher gab es hier eine riesige alternative Szene, aber das hat sich geändert, und das ist natürlich ätzend. Es wird immer mal wieder versucht, etwas Leben in die Szene zu bringen, das hängt dann von einigen wenigen Menschen ab, und wenn die ihr Interesse verlieren oder umziehen müssen, hat sich die Sache bald erledigt. Es ist in vielen schwedischen Städten sehr schwierig, Venues zu finden, in denen man Shows spielen kann, das hat meist wirtschaftliche Gründe.

Was machst du sonst noch?

Eigentlich zu viel. Ich habe angefangen, für eine schwedische Promo-Agentur zu arbeiten, die Idle Production heißt. Dann arbeite ich manchmal als Bibliothekar – ich finde den demokratischen Aspekt von öffentlichen Büchereinen als öffentliche Orte, die nicht nur da sind, um sich informieren zu können, sehr wichtig. Wobei die Möglichkeit der freien Informationsbeschaffung natürlich auch wichtig ist. Ich versuche, mich so weit wie möglich mit Politik zu beschäftigen. Außerdem habe ich eine neun Monate alte Tochter, mit der ich auch möglichst viel Zeit verbringen möchte. Ich laufe auch viel. Zur Zeit laufe ich Halbmarathons, aber ich will versuchen, so gut in Form zu kommen, dass ich bald einen ganzen Marathon laufen kann. Weiterhin trainiere ich ein bisschen Wing Chun und koche gerne vegan.

Gibt es Labels, die dich in deiner beeinflusst haben oder immer noch beeinflussen?

Ja, natürlich. Am Anfang hatte vor allem das örtliche Label No Looking Back Records einen großen Einfluss auf mich. Das wurde von Håkan und Per gegründet, die heute bei DIVISION OF LAURA LEE spielen. Desperate Fight war auch wichtig. Day After Records aus Tschechien war ein starkes Label, das seinen eigenen Vertrieb aufgebaut hat und das auch fortgeführt hat, als es größer wurde. Refuse Records aus Polen war schon immer ein reines D.I.Y.-Label aus Überzeugung, das gibt es sogar schon länger als uns. Ebullition Records aus den USA ist für mich das perfekte Vorbild für ein alternatives Label. Die hatten immer einen sehr großen Einfluss auf mich.

Was fasziniert dich an der Labelarbeit, wie sieht deine Labelpolitik aus?

Zu sehen und zu erfahren, dass es wirklich möglich ist, etwas zu verändern. Nach zwölf Jahren sind wir zwar nicht das größte Label hier, wir haben nicht die meisten Veröffentlichungen, aber es ist dennoch sehr schön, das Label unter unserem Einfluss wachsen zu sehen. Ich bin immer sehr zufrieden, wenn ich mit einer Band lange zusammenarbeiten kann, wenn beide Seiten glücklich sind und man das Gefühl hat, dass auch beide etwas davon haben. Heutzutage ist es zwar schwieriger, aber immer noch faszinierend, ein Label zu betreiben, das physische Datenträger veröffentlicht. Die Bedingungen sind heute anders als vor zwölf Jahren, als wir angefangen haben, doch irgendwie haben wir es geschafft, uns daran anzupassen. Und was die „Labelpolitik“ betrifft, so ist es mir wichtig, die Bands immer so weit wie möglich in die Prozesse einzubeziehen. Und es ist mir wichtig, keine schriftlichen Verträge machen, sondern sich aufeinander zu verlassen und Abmachungen mit den Bands zu treffen, mit denen beide Seiten zufrieden sind.

Zum Schluss: Was bedeutet D.I.Y. ganz grundlegend für dich, wenn es um das Label geht?

Für mich beziehungsweise uns war der Grundgedanke immer, dass man sich nicht einfach hinsetzt und wartet, dass jemand anderes die Arbeit für einen macht, wenn man es eigentlich auch selbst machen können. Wir selbst sind die einzigen, die uns Grenzen setzen können, und in kreativer Hinsicht kann uns niemand sagen, dass etwas unmöglich ist.

Übersetzung: Christina Wenig