Obwohl sich die Mitglieder von THE BLACK MARIA bereits im Jahre 2002 formiert haben, hat man relativ lange auf ein Lebenszeichen warten müssen, das jetzt jedoch mit dem Debüt „Lead Us To Reason“ auf dem Chicagoer Label Victory Records vorliegt. Die THE BLACK MARIA-Belegschaft hat sich bereits in anderen namhaften Bands einen guten Ruf erspielen können: NEW DAY RISING wären da zu nennen, ZYON ebenfalls. Und sogar der ehemalige GRADE-Sänger Kyle Bishop spielt hier Gitarre und übernimmt die Backing Vocals. Dass dieses Quintett aber weit mehr als die Summe der musikalischen Vergangenheiten seiner Mitglieder darstellt, beweist „Lead Us To Reason“ mehr als eindrucksvoll. Sänger Chris Gray versteht unter der Band – wie auch seine Bandmates – einen musikalischen Neuanfang. Was zuerst wie eine immens abgedroschene Phrase klingt, trifft auf diese Band tatsächlich zu, denn THE BLACK MARIA schaffen wirklich etwas Neues. „Lead Us To Reason“ ist mit Abstand das beste Victory-Release seit langer Zeit. Und das sagt schon enorm viel. THE BLACK MARIA waren bereits zusammen mit ihren Labelmates ATREYU auf Tour, bevor Anfang dieses Jahres mit HAWTHORNE HEIGHTS weiter getourt wurde. Volles Programm. Sänger Chris Gray fand trotzdem Zeit, sich ein paar Interviewfragen bezüglich der Formation dieses Fünfers als auch der Beschaffenheit dieses eindrucksvollen Debüts zu stellen. Und da wären wir schon.
„Die Konzertbesucher sind total ausgerastet, als wir unser Set gespielt haben. Viele der Leute, die direkt vor der Bühne standen, habe ich mitsingen hören. Ungewöhnlich eigentlich, denn unser Album war ja zu der Zeit noch gar nicht veröffentlicht. Aber das sind wohl die Zeichen der Zeit und wir als Band kennen diesbezüglich die Problematik ‚Internet‘. In diesem Falle war das aber nur förderlich, denn letzten Endes hatten wir eine unglaublich gute Zeit in England. Und als ‚neue Band‘ wollen wir uns da auch keineswegs beschweren. Und natürlich hat es uns sehr viel Spaß gemacht, mit unseren Freunden von ATREYU in einem Bus auf Tour zu sein.“, schwärmt ein Chris Gray über den kurzen Ausflug mit ATREYU durch das Vereinigte Königreich. THE BLACK MARIA eröffnen mit „Lead Us To Reason“ ein gänzlich neues Kapitel, schließen mit der musikalischen Vergangenheit komplett ab und beweisen, dass das der beste Weg war, den man hätte beschreiten können. Das Quintett um Sänger Chris Gray hat sich schon 2002 formiert, spielt aber erst ein Jahr später die ersten Shows mit PIEBALD, CAVE IN, den DISTILLERS und QOTSA. Chris erinnert sich noch genau daran, wie man sich untereinander kennen gelernt hat: „Ich war gerade mit unserem jetzigen Gitarristen Alan Nacinovic in ein Solo-Projekt vertieft. Kyle hat zu dieser Zeit, als auch GRADE sich gerade aufgelöst hatten, etwas Abstand von der Musik genommen. Kurze Zeit später ist er aber doch mit Alan in Kontakt getreten und wollte einen musikalischen Neuanfang wagen. Ich kannte Kyle schon seit Jahren und wir kamen überein, dass ich singen würde. Soviel stand fest. Wir drei saßen wenig später in einem Café und haben darüber beraten, wie eine gemeinsame musikalische Zukunft aussehen könnte und haben gemerkt, dass wir alle dieselben Ziele und Ideen hatten.“
Ein Drummer war mit Derek Petrella schnell gefunden. Wenig später erfuhr auch Bassist und Keyboarder Mike De Eyre von diesem Projekt und komplettierte die Band.
„Mit Mike habe ich schon zusammen in einer Band gespielt. Er war gleich Feuer und Flamme, als er von dem Projekt hörte. Und damit waren THE BLACK MARIA auch schon gegründet. Wir fingen an, regelmäßig zu proben, nahmen ziemlich schnell ein Demo auf und schickten es an alle möglichen Labels. Mit Victory Records haben wir uns dann letztendlich geeinigt.“
Verwurzelt im Hardcore, hat das Debütwerk von THE BLACK MARIA namens „Lead Us To Reason“ jede Menge Überraschungen zu bieten. Die Musik als auch die Texte des Quintetts sind durchweg melancholisch bis düster gehalten. Zu dieser Art Musik könnte die Stimme eines Chris Gray nicht besser passen, der die Inhalte seiner tiefgründigen Lyrics somit nur noch besser in Szene zu setzen weiß. De Eyre, Mann am Viersaiter, ist auch für die Synthesizer zuständig, die der Melancholie dieses Albums nur zuträglich sind.
„Lead Us To Reason“ ist kein Album, das für den einmaligen, schnellen Gebrauch geeignet ist. Durchaus finden sich auch relativ aggressiv-eingängige Songs, jedoch sind diese ganz klar in der Unterzahl. Aber wie das Tempo und der Distortiongrad auch ausfällt, THE BLACK MARIA haben stets das gewisse Etwas. „Lead Us To Reason“ könnte man fast schon als Post-Emo bezeichnen, der schon durch sein schlichtes, unverfälschtes musikalisches Erscheinungsbild in jeglicher Hinsicht zu überzeugen weiß und es damit besser macht als fast alles, was in diesem Genre die Daseinsberechtigung vergeblich einfordert. „Wir stammen alle aus der Hardcore-Szene und haben ihr viel zu verdanken. Für mich persönlich kann ich sagen, dass Hardcore mir geholfen hat, genau die Person zu werden, die ich heute bin. Und darauf bin ich sehr stolz. Diese Art Musik hat unser aller Leben verändert, es in jeglicher Hinsicht bereichert“, so Chris.
Jeder Song auf dem Album versprüht eine Art positive Melancholie, der man sich nicht entziehen kann. „What’s the distance to the bottom? When you have nothing to lose, do you see the world move forward? As you break into pieces? Remember how you used to walk proud? How you’d soar above the crowd, what’s the distance from the bottom?“ So im Song „The distance from the bottom“, das die lyrische Grundstimmung von „Lead Us To Reason“ perfekt einzufangen scheint. Grey würde aber nicht so weit gehen, seine Lyrik als depressiv zu bezeichnen.
„Natürlich hört man stets diesen melancholischen Unterton heraus. Das rührt daher, dass ich die Lyrics meist schreibe, wenn ich nicht besonders gut drauf bin. Mir fällt es leichter, Texte zu schreiben, die nicht über die Sonnenseite des Lebens berichten. Inspirationen können auch Filme, Bücher oder Träume sein. Unterschwellig hört man bei den Texten sicherlich auch einen gewissen Triumph heraus. Sie handeln zwar von Tiefpunkten im Leben, die Hoffnung ist aber stets präsent. Wenn du so willst, befinden sich die Texte in einem steten Kampf mit dem Negativen im Leben. Ich schreibe darüber, was ich gerade fühle. Ich will die Welt nicht verändern, bin aber immer froh, wenn ich nach den Konzerten auf meine Texte angesprochen werde, wenn mir jemand sagt, es ginge ihm genau so. Dann kann ich am Ende eines langen Tages zufrieden ins Bett gehen. Denn dann nämlich habe ich einen guten Job gemacht.“
In diesem Jahr ist auch eine ausgiebige Tour durch Europa geplant. THE BLACK MARIA werden sich mit „Lead Us To Reason“ schnell eine sehr große Fangemeinde erspielen können. Jeder, der sich durch emotionale Rockmusik, die auch einen Schritt weiter und tiefer geht, angesprochen fühlt, der sollte in „Lead Us To Reason“ eine echte Alternative zum gängigen Genre-Einheitsbrei finden, denn diese Band und ihr Debütwerk ragen weit aus der Masse hervor. „Die Platte ist besser geworden, als wir uns das jemals erträumt haben. Wir haben jede Menge Zuversicht, dass das andere Menschen auch so sehen werden“, gibt sich Gray zuversichtlich. Und Zuversicht ist im Falle THE BLACK MARIA in jedem Fall angebracht.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #60 Juni/Juli 2005 und Dennis Grenzel
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #68 Oktober/November 2006 und Arne Koepke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #58 Februar/März 2005 und Arne Koepke