Innerhalb von nur drei Jahren wurde BrewDog, gegründet von den Studenten James Watt und Martin Dickie, zur größten unabhängigen Brauerei Schottlands. Neben ausgefallenen Biersorten fernab des Mainstreams konnte das Duo vor allem durch ungewöhnliche Marketingstrategien auf sich aufmerksam machen. So lieferte sich BrewDog zum Beispiel einen Wettstreit mit der fränkischen Brauerei Schorschbräu um das stärkste Bier der Welt, das letztere mit einem Bier gewonnen haben, das 57 % Alkohol enthält. Welche Idee hinter dem „beer for punks“ steckt, verriet uns Gründer James Watt.
James, wann und warum haben Martin und du BrewDog gegründet?
Wir haben BrewDog 2007 aus Unzufriedenheit mit dem Biermarkt in Großbritannien gegründet. Martin und ich sind schon seit unserer Schulzeit befreundet, und als wir dann während des Studiums zusammengewohnt haben, haben wir angefangen, ein bisschen herumzuexperimentieren – nein, nicht so ... Wir haben ein paar interessante Homebrew-Sorten kreiert. Martin hat übrigens Brauwesen studiert. Der ausschlaggebende Moment, der uns dazu motivierte, BrewDog zu gründen, war ein zufälliges Treffen mit dem inzwischen verstorbenen Michael Jackson – dem Bier- und Weinkritiker, nicht dem „King of Pop“. Er nahm einen Schluck von unserem Bier und sagte, wir sollten eine Brauerei eröffnen, also haben wir das gemacht.
Habt ihr ein bestimmtes Ziel und eine Botschaft, die ihr verbreiten wollt? Was wollt ihr mit BrewDog erreichen?
Wir wollen, dass die Leute wieder eine Leidenschaft für Bier entwickeln. Wir wollen, dass unsere Kunden die Vielfalt an Geschmacksrichtungen in unseren Biersorten erkennen, dass sie den Prozess des Brauens verstehen und so kompetent entscheiden können, was sie trinken möchten. Unser Bier soll geschmeckt und genossen, nicht nur geschluckt und vergessen werden. Wir wollen die Grenzen dessen austesten, was beim Brauen als akzeptabel angesehen wird, wir setzen uns nicht einfach hin und akzeptieren „Regeln“, was in ein Bier gehört und was nicht. Stattdessen experimentieren wir so viel wie möglich mit verschiedenen Brauprozessen und Geschmacksrichtungen.
Ihr sagt, euer Bier ist „beer for punks“. Was genau ist „punk“ daran?
Unsere Hartnäckigkeit und die Fähigkeit, die Regeln zu brechen, machen es punk. Wir lehnen den Mainstream ab und suchen immer nach innovativen und interessanten Wegen, großartiges Bier zu machen und es auf eine kreative und abenteuerliche Weise zu vermarkten. Genau wie das Establishment und Mainstream-Musiker Punkrock in den Siebzigern verhöhnt haben, machen das heute globale Bier-Giganten mit BrewDog.
Wo und unter welchen Bedingungen braut ihr euer Bier?
Wir brauen unser Bier in Fraserburgh an der Nordostküste Schottlands. Unser Bier wird immer nur in kleinen Mengen handgebraut. Dadurch, dass wir so nah an der Küste sind, konnten wir auch Geschichte schreiben, indem wir das erste Bier entwickelt haben, das unter Wasser gebraut wird. Wir ziehen aber in die Nähe von Aberdeen und bauen dort eine größere und bessere Öko-Brauerei, die durch das Investment unserer Fans gebaut werden kann. Danke, Leute!
Wo kann man euer Bier kaufen?
An sehr vielen Orten! Wir haben einen Online-Shop auf unserer Website und in Großbritannien wird unser Bier auch bei den Supermarktketten Tesco, ASDA und Morrisons geführt. Außerdem haben wir in Großbritannien auch noch unsere BrewDog-Bars. Unser Bier ist in 27 weiteren Ländern erhältlich, diese Zahl steigt stetig.
Innerhalb von nur drei Jahren wurdet ihr zu Schottlands größter unabhängiger Brauerei – wie habt ihr das geschafft?
Das haben wir nur unseren Fans zu verdanken. Den Leuten wurden die Augen geöffnet und sie beginnen zu erkennen, dass es innovative und großartige Biersorten da draußen gibt. Anstatt weiter das gleiche alte fade Bier zu trinken, wechseln immer mehr Leute zu kleinen Biermarken. Kein Marketing der Welt kann ein schlechtes Produkt wettmachen. Die Fundraising-Aktion „Equity for Punks“ für unsere neue Brauerei war eine Bestätigung der Revolution kleiner Biermarken. Wir haben unser 2,2 Millionen-Pfund-Ziel noch vor der Deadline erreicht. Das brachte uns näher zu unseren Kunden, und wir lieben sie.
Wie schwierig war es, eine neue Biermarke am Markt einzuführen?
Solange man ein schönes und gutes Produkt entwickelt, werden es die Leute trinken wollen. Das ist unsere Philosophie und das ist auch der Grund dafür, dass die Leute unser Bier kaufen.
Hattet oder habt ihr Probleme mit den großen Bierkonzernen? Ich denke da an den Großkonzern Diageo, der verhindern wollte, dass ihr den Preis für den besten Barbetreiber bekommt ...
Das ist das beste Beispiel für einen weltweiten Getränke-Giganten, der hinterhältige Aktionen gegen kleinere Firmen durchführt. Die haben Angst vor ihrer eigenen Unzulänglichkeit und sehen die Begeisterung der Leute für unabhängige Marken, die sie niemals haben werden. Anstatt zurück zu den Ursprüngen zu gehen und ein tolles Bier zu machen, schmeißen sie mit Geld um sich und produzieren fade, geschmacklose Getränke. Sie versuchen, die Öffentlichkeit mit großen Reklameflächen und Werbebudgets an der Nase herumzuführen, aber sie tragen da lediglich einem Schwein Lippenstift auf. Es ist kosmetisch und nutzlos, und die Leute fangen an, das zu durchschauen.
Bekommt man in Schottland beziehungsweise Großbritannien nur das Bier der Markenkonzerne, wenn man ausgeht, oder gibt es viele unabhängige Brauereien? Erzähl uns an dieser Stelle doch auch etwas zu den BrewDog-Bars.
Es gab schon immer unabhängige Brauereien in Großbritannien, diese „Bewegung“ ist in den letzten Jahren aber deutlich gewachsen. Es gibt über 800 Brauereien hier, also ist definitiv ein Markt für unabhängige Biermarken vorhanden. Es gibt gerade sieben BrewDog-Bars in England und Schottland, wo neben unseren eigenen Biersorten auch andere innovative und interessante unabhängige Biermarken aus der ganzen Welt ausgeschenkt werden.
Was macht für dich ein gutes Bier aus?
Hopfen, Hopfen, Hopfen!
Ihr steckt ziemlich viel Arbeit in die Entwicklung neuer Biersorten. Wie sieht dieser Prozess aus? Entwickelt ihr die Rezepte selbst?
Ja, wir machen das selbst. Martin hat ja Brauereiwesen studiert und leitet bei uns die Entwicklung neuer Sorten. Aber jeder, der in der Brauerei arbeitet, ist in diesen Prozess involviert und trägt seinen Teil zu neuen Produkten und Ideen bei.
Wie wichtig ist das Marketing für euch? Glaubt ihr, dass ein ausgefallenes Marketing notwendig ist, um erfolgreich zu sein?
Es ist nicht notwendig. Was notwendig ist, ist ein gutes Produkt und Leidenschaft. Was nicht notwendig ist, ist auf seine Kunden herabzuschauen und ihnen unterdurchschnittliches Bier vorzusetzen. Unser Marketing ist nur ein Mittel, um sicher zu gehen, dass wir zwischen all den Bier-Giganten wahrgenommen werden.
Euer Unternehmen wächst seit Jahren – habt ihr nicht Angst, eines Tages selbst „Mainstream“ zu werden?
Der Mainstream hat nur einen schlechten Ruf, weil er gleichbedeutend mit „langweilig“ geworden ist. Wenn BrewDog also jemals „Mainstream“ wird, dann könnt ihr euch sicher sein, dass wir die Wahrnehmung des Mainstreams geändert haben.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #104 Oktober/November 2012 und Christina Wenig