BARSTOOL PREACHERS

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Danke für nichts

Es gibt sie seit gerade einmal vier Jahren und doch haben sich THE BARSTOOL PREACHERS aus Brighton bereits eine durchaus ansehnliche Fanbasis erspielt. Das liegt natürlich an ihren Auftritten im Vorprogramm von DIE TOTEN HOSEN und sicher auch daran, dass Frontmann Tom McFaull der Sohn von COCK SPARRER-Sänger Collin ist – ein Thema, das beim Interview mit McFaull Junior denn auch auf Tisch muss. Aber ebenso wichtig für ihre wachsende Bekanntheit ist eben auch die politische Haltung der Thekenprediger, die auf dem neuen Album „Grazie Governo“ eine zentrale Rolle einnimmt.

Tom, auf eurer Facebook-Seite habt ihr kürzlich euren Support-Act KICKBACK GENERATION mit einem Foto der Schmusepopper RIGHT SAID FRED angekündigt. Angesichts dieses Bildes und sehr unangenehmen Erinnerungen an die Musik der Neunziger Jahre stellt sich doch die Frage: Was ist die lausigste Band, die jemals aus eurer Heimat England kam?


Eine gute Frage, haha ... Ich würde sagen, die STEPS, eine Dancepop-Band. Die hatten definitiv kein Talent, waren trotzdem erfolgreich und waren somit schon ein Vorbote dessen, was uns mittlerweile erreicht hat. Heute ist eben nicht mehr wie vor zwanzig Jahren. Nein, heute hat jede Band aufgrund des Internets die Chance, zahllose Menschen zu erreichen und dafür sorgen, dass ihre Musik – egal ob gut oder schlecht – auch gehört wird.

Welche Rolle spielt das Internet für eine Band wie THE BARSTOOL PREACHERS?

Eine absolut wichtige Rolle. Eben weil wir Menschen erreichen können. Aber wir sind auf der anderen Seite auch Musiker der alten Schule: Wir spielen 150 Shows im Jahr, um unter die Leute zu kommen. Das ist unsere eigentliche Stärke. Wir sind eine Live-Band und wollen raus – auch wenn es Musiker gibt, die keinen Schritt vor die Türe tun und trotzdem Millionen erreichen. So leicht wollen wir es uns nicht machen.

150 Shows – das bedeutet, dass ihr ungefähr alle zwei Tage irgendwo auf der Bühne steht. Ein ordentliches Pensum. Wie hält man das durch?

Richtig, das ist nicht ohne. Wir halten es durch, indem wir uns immer und immer wieder bei unseren Ehefrauen und Kindern entschuldigen, haha. Wir hoffen, dass sie uns jedes Mal aufs Neue verzeihen. Diese Herangehensweise, dieses Touren ist nun einmal unsere einzige Chance. Wir können als Band nur auf diese Weise überleben – zumindest wenn wir es ernsthaft angehen wollen.

Aber lass mich raten: An den restlichen Tagen des Jahres werdet ihr wahrscheinlich proben. Ergo: Immer noch keine Zeit für Familie und Freunde.

Einmal das, und dann schreiben wir ja auch noch Songs. Was es nicht einfacher macht ... „Leute, ich war gerade duschen. Ich habe wieder eine Idee. Lasst uns die mal sofort ausprobieren!“

Die Dusche ist dein bevorzugter Songwriter-Ort?

Ja, das kann man so sagen. Auch weil ich jemand bin, der zweimal am Tag duscht. Vor allem auf Tour. Das habe ich mir angewöhnt. Zwei Stunden vor dem Auftritt gehe ich unter die Dusche und esse eine Banane. Und weißt du was? Ich habe dank dieser Angewohnheit wirklich schon einige der schlimmsten und dreckigsten Duschen auf dieser Welt gesehen!

Großartig! Wo sind die?

Eine ist auf jeden Fall backstage in einem Club in Pittsburgh. Wenn man den Duschvorhang nach dem Duschen öffnete, steht man direkt im Umkleideraum für alle anderen. Und in der Dusche selber saßen damals Motten und Spinnen an der Wand. Eine wahre Freude ... Ich habe letztlich so viele Duschen gesehen, dass ich als alter Mann irgendwann ein Buch darüber schreiben könnte. „Die 250 schlimmsten Duschen dieses Planeten“, haha.

Kommen wir auf euer neues Album zu sprechen. Das heißt „Grazie Governo“, was italienisch ist und „Danke, Regierung!“ bedeutet. Warum dieser Titel? Und warum auf Italienisch?

Ich war im Urlaub mit dem Rucksack auf Sizilien unterwegs. Und dort traf ich einen alten Italiener, dessen ursprüngliches Dorf nach einem Ausbruch des Ätna vor Jahren komplett zerstört worden war. Er erzählte mir davon. Und es war wohl so, dass die Einwohner im Vorfeld jahrelang zahllose Versuche unternommen hatten, die Regierung um Hilfe zu bitten, weil es klar war, dass es irgendwann so kommen musste. Die Regierung aber hatte nie die Veranlassung gesehen, den Menschen zu helfen und deren Dorf zu schützen. Bis es irgendwann zu spät war. Und nach dem Ausbruch hat einer der ältesten Bewohner einen Tisch mit Stuhl rausgeholt, sich vor die Ruinen seines ehemaligen Hauses gesetzt, einen Wein aufgemacht und mit roter Farbe „Grazie Governo“ auf eine Mauer geschrieben. Und das zeigte mir wieder einmal, in wie vielen Bereichen des alltäglichen Lebens wir von unseren Politikern betrogen oder ignoriert werden. Firmen und Regierungen machen gemeinsame Sache – Hauptsache, das Geld stimmt für die Beteiligten. Dabei könnte genau dieses Geld das Leben so vieler Menschen, die es nötiger haben, so viel besser machen. Letztlich ist es dann auch kein Wunder, dass sich die Rechte überall auf der Welt radikalisiert.

Für was würdest du dich heute bei deiner eigenen Regierung „bedanken“?

Zuerst einmal würde ich sagen: „Danke, dass ihr Musikern wie uns durch euer Verhalten immer wieder neue Munition liefert.“ Dann ginge es weiter mit: „Danke, dass ihr Lehrern gerade einmal die Hälfte dessen zahlt, was sie für ihre Arbeit eigentlich bekommen müssten.“ Und: „Danke, dass ihr unser Gesundheitssystem ruiniert.“ Und das sind nur einige Beispiele.

Nun gibt es durchaus Musiker, die laut deinen Worten von den Politikern mit Stoff für ihre Songs gefüttert werden, und die trotzdem sagen: Wir haben keine Lust auf Politik und wollen den Menschen lieber eine gute Zeit fernab der alltäglichen Sorgen bescheren. Könntet ihr das auch, Musik und Politik trennen?

Nein. Natürlich geht es auch um Spaß. Aber wir wollen schon explizit politisch sein. Das liegt ja schon in der Musik, die wir machen, begründet. Punk und Ska. Das Sprachrohr der Working Class. Da geht es nicht ohne Politik. Die Menschen, die zu unseren Konzerten kommen oder unsere Platten hören, sollen wissen: Da sind ein paar Typen, die wissen, wie es mir geht. Die kümmern sich. Die sind auf meiner Seite und ich bin nicht alleine mit meinen Sorgen und Ängsten. Außerdem ist es doch letztlich umso schöner, die Menschen auch mit politischen Songs zum Tanzen zu bringen.

Was macht die Songs auf „Grazie Governo“ zu den besten, die ihr je geschrieben habt?

Diese Songs zeigen, dass wir unseren Sound und das, was wir zusammen machen, vollständig verstanden haben. Wir wissen mittlerweile genau, was wir tun. Wir kommunizieren sehr viel und ausgiebig miteinander und ergänzen uns wunderbar. Und das liegt unter anderem eben daran, dass wir ständig touren.

Ihr habt die BARSTOOL PREACHERS 2014 gegründet. Demnach habt ihr also vier Jahre gebraucht, um zu wissen, was ihr wollt und könnt, um euch zurechtzufinden?

Genau. Wir sind gewachsen. Als Band und als Musiker. Und das macht uns glücklich. Wenn ich mir heute unser erstes Album anhöre, dann höre ich Lieder, die am Küchentisch sitzend eher spartanisch konzipiert wurden. Heute arbeiten wir zielgerichteter und professioneller.

Bist du Künstler – oder professioneller Musiker?

Hmm ... Ich würde sagen, aufgrund der Menge an Gigs, die wir spielen, sind wir professionelle Musiker. Aber wir bekommen kaum Geld dafür, haha, und versuchen, jedem Abend einen eigenen Charakter zu verleihen. Und das wiederum spricht dafür, dass wir auch Künstler sind.

Zum Schluss muss ich natürlich noch deinen Vater ansprechen. Das ist Collin McFaull, Frontmann der Oi!-Legende COCK SPARRER ...

Ja, das ist er. Ein fantastischer Kerl. Er ist ein brillanter Frontmann und ein unglaublicher Sänger. Als Vater wiederum ist er liebevoll, leidenschaftlich, mitfühlend, selbstlos. Und letztlich ist es toll, dass wir beide diese Richtung eingeschlagen haben. Ich würde sagen: Mein Vater ist mein bester Freund.

Der Vater als bester Freund ... Normalerweise versuchen Kinder doch immer, ihre Eltern zu schocken und sich von ihnen abzugrenzen. Zum Beispiel, indem sie Punk werden.

Na ja, ich hätte ihn sehr geschockt, wenn ich Popmusik gemacht hätte, haha. Und ja, wir teilen eine ziemlich große Leidenschaft, was Musik angeht. Aber sei dir sicher: Ich habe mir auch ohne Punk eine Menge Ärger eingehandelt ... Ich glaube, am meisten hat es meine Eltern geschockt, wenn ich mal wieder von der Polizei nach Hause gebracht wurde, weil ich Mist gebaut hatte. Ich hatte durchaus meine Mittel, sie zu schocken, haha.