B Y O Records

Alles Gute zum Zwanzigsten

Die „Better Youth Organisation“ aus Los Angeles, CA ist eines der dienstältesten Punkrock-Labels der USA. Gegründet von den Mitgliedern von YOUTH BRIGADE, machte das Label, das heute noch von den beiden Brüdern Mark und Shawn Stern geführt wird, Höhen und Tiefen durch, und passenderweise ist dieses Jahr, da man das zwanzigjährige Jubiläum feiert, eines, in dem man mit dem Release der NOFX/RANCID-Split-EP mal wieder ein Hoch zu verzeichnen hat. Und so war also mal wieder ein Grund gegeben, sich mit Shawn, der auch Frontmann von YOUTH BRIGADE ist, über Vergangenheit und Gegenwart zu unterhalten.

Glückwunsch zum 20. Geburtstag! Ist es wirklich schon so lange her?


Danke! Und ja, im Frühjahr 1982 haben wir die erste Platte auf BYO veröffentlicht. 1980 hatten wir YOUTH BRIGADE gegründet, veranstalteten Konzerte, waren eine Gruppe von Freunden, die sich den Namen Better Youth Organisation gegeben hatte. Irgendwie kam dann auch die Idee mit dem Label auf, und die ‚Someone got their head kicked in‘-Compilation war unser erstes Release.

Während heute auch Punklabels mit dem Hintergedanken gegründet werden, damit Geld zu verdienen, sah das bei euch in den Anfangstagen noch ganz anders aus.

Also anfangs hatten wir sicher keinen Gedanken daran verschwendet, dass wir damit jemals Geld verdienen. Nein, das Label wurde aus der reinen Notwendigkeit heraus geboren: Wir hatten eine Band, wollten Konzerte spielen, also haben wir sie selbst veranstaltet, und als wir eine Platte machen wollten, machten wir das eben auch selbst. Wir hatten keine kaufmännische Ausbildung, nein, wir waren Musiker und hatten was zu sagen und das sollte auch gehört werden. Dazu brauchten wir eine Platte und es stand außer Frage, bei einem Majorlabel zu unterschreiben. Andererseits dachten wir, dass es auch nicht viel Sinn macht, bei einem kleinen Label wie Slash oder Posh Boy zu unterschreiben, also nahmen wir die Sache selbst in die Hand.
Mittlerweile ist die Situation eine ganz andere, gerade seit dem Punkboom von 1994. Da haben eine Menge junger Typen kapiert, dass man mit einem Plattenlabel auch Geld verdienen kann. Klar, die stehen auch auf die Musik und sie helfen natürlich auch den Bands, die sie mögen, aber ganz gleich, was sie sagen, die machen das des Geldes wegen.

Und das ist bei BYO anders?

Oh ja! Wir glauben, dass wir was zu sagen haben und hoffen, dass andere Leute das nachvollziehen können und uns deshalb unterstützen. Das ist unsere Hauptmotivation. Ein guter Beleg dafür ist doch auch, dass wir 20 Jahre durchgehalten haben.

Was sind das für Ideale, die ihr zu leben und auch im alltäglichen Business durchzuziehen versucht?


Wir suchen unsere Bands danach aus, ob sie musikalisch und auch von ihren Ideen bzw. ihrer Attitüde her zu uns passen. Glaub mir, wir hätten schon mit vielen Bands arbeiten können, die später ziemlich groß geworden sind, haben es aber dann doch nicht getan. Zum einen müssen wir das Gefühl haben, dass wir der Band weiterhelfen können. Zum zweiten müssen wir mit ihren Ansichten und Messages in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht übereinstimmen können. Drittens bin ich der Meinung, dass Punkrock, was immer das heute auch alles sein mag, immer noch was zu sagen hat und immer noch eine der wenigen Musikrichtungen ist, die die Probleme in der Welt nennt. Klar gibt’s da auch andere Auffassungen dazu, Bands, die nur Love-Songs schreiben, woran per se nichts falsch ist, was sie aber nicht von BACKSTREET BOYS & Co. unterscheidet. Und dann ist da noch diese seltsame Phänomen des ‚christlichen Punkrocks‘, was ja ein Oxymoron ist: christlichen Punkrock kann es ja gar nicht geben!

Shawn, ganz meine Meinung. Danke, dass du das mal so deutlich ausgespochen hast.

So ist es nun mal. Punkrock heisst für mich eben auch, niemandem hinterher zu laufen, und das Christentum steht nunmal dafür, wie ein Schaf anderen hinterher zu laufen, auf die Bibel und den Pfarrer zu hören. Mit Punkrock hat das aber rein gar nichts zu tun, Punkrock ist für mich die Antithese zu organisierter Religion. Wegen mir soll und kann jeder glauben, was er will, solange er mich damit in Ruhe lässt und vor allem nicht versucht, mir seinen Glauben mit Hilfe von Musik aufzuzwingen. Wir bekommen immer wieder Demos von solchen Bands, und ich nehme mir jedes Mal die Zeit zurück zu schreiben: Viel Glück bei dem, was ihr macht, nennt es aber bitte nicht Punkrock, wenn ihr irgendwas von Jesus Christus singt und versucht die Kids zu beeinflussen. Die Kids sollen selber denken, dazu brauchen sie keine Religion.

Wie ist denn der Stand der Dinge in Sachen YOUTH BRIGADE?

Wir haben vor ein paar Wochen mal wieder ein Konzert gespielt, in San Francisco, und neulich hier mit SLAUGHTER & THE DOGS. Und derzeit arbeiten wir auch an ein paar neuen Songs. Wir haben sechs oder sieben Ideen, die wir auch schon aufgenommen haben. Mark hat seit zwei Jahren ein Kind, seitdem ist er immer ein wenig unschlüssig, wie er mit der Band weitermachen will. Aber derzeit sieht es so aus, dass wir in den nächsten Monaten an neuen Songs und Aufnahmen arbeiten werden und auch hier in der Gegend mehrere Konzerte spielen, um die neuen Songs live auszuprobieren. Der Plan ist, dann so ins Studio zu gehen, dass im Herbst eine neue Platte erscheinen kann – und wir im Herbst in New Jersey bei „Holidays In The Sun“ spielen können. Außerdem wollen wir auch ein paar Tage mit den PARTISANS auf Tour gehen.

Und haben wir hier in Europa eine Chance, YOUTH BRIGADE nochmal live zu sehen zu bekommen?

Im Dezember soll in Berlin ein ‚Holidays In The Sun‘-Festival stattfinden, und es könnte sein, dass wir da spielen – und ich habe zu Mark schon gesagt, dass wir dann die Chance nutzen sollten, noch ein paar Shows in Deutschland, Italien und Spanien dran zu hängen. Aber im Augenblick muss ich noch Überzeugungsarbeit bei meinen Bandkollegen leisten, also kann ich nichts versprechen.

Was können wir denn von den neuen Songs erwarten?

Also wenn du die Songs der Split-Platte mit den SWINGIN’ UTTERS magst, wirst du auch die neuen Songs mögen.

Und wie sieht das aktuelle YOUTH BRIGADE-Line-Up aus?

Keine Veränderung, es besteht immer noch aus uns drei Brüdern Shawn, Mark und Adam. Johnny Two Bags konzentriert sich wieder auf SOCIAL DISTORTION, doch ich hätte ihn gerne wieder mit dabei, denn eine zweite Gitarre ist sowohl im Studio wie auf der Bühne eine Bereicherung.

Du erwähntest vorhin, dass Mark wegen seines Kindes zögert auf Tour zu gehen – fordert das Alter auch bei YOUTH BRIGADE seinen Tribut?

Haha, ja und nein, es ist einfach manchmal seltsam: Als wir die Band gründeten, war ich 20 und dachte nicht im Traum daran, mit 30 noch in dieser Band zu spielen – und jetzt bin ich 41 und immer noch dabei. Aber unser Publikum ist nach wie vor sehr jung, es kommen eine Menge Kids, und da weiß ich, dass das alles immer noch Sinn macht. Als wir Anfang der Neunziger unsere Reunion hatten, kamen zwar auch ein paar Kids zu den Shows, aber vor allem alte Punkrocker und das war schon etwas deprimierend. Als wir dann die erste neue Platte draußen und mehrere Shows mit jungen Bands gespielt hatten, kamen immer mehr junge Punkrocker zu den Shows, also Leute, die noch zur Schule gehen, für die Punkrock noch was Neues ist, und das ist schon erstaunlich. Und vor allem wollen die fast nur die alten Songs hören! Ich sage dann immer, was wollt ihr denn mit Songs, die geschrieben wurden, als ihr noch nicht mal geboren wart? Aber so lange die Kids Spaß mit uns haben und schätzen, was wir tun, wird es die Band auch weiter geben. Und nachdem ich letztes Jahr hier auf einem Festival Chuck Berry gesehen habe, weiß ich, dass wir das noch ein paar Jahre länger machen können: Chuck Berry reist ohne Band an, die muss vom Veranstalter gestellt werden und alle seine Songs beherrschen. Berry legt dann los, ohne Setlist, ohne Probe, und die Jungs müssen einfach beim ersten Ton wissen, welchen Song er jetzt haben will. Irgendwie klappt das, das ist erstaunlich, und manchmal wechselt er sogar mitten in einem Song zu einem anderen, der dreht da auf der Bühne echt total ab.

Gibt’s denn bei Marks Tochter schon Ansätze, dass sie in ein paar Jahren in die Band einsteigen könnte?

Hehe, am letzten Wochenende saß ich im Büro, weil viel zu tun war, und Mark kam mit seiner Tochter vorbei, die jetzt zweieinhalb ist. Mark hat ihr neulich ein Schlagzeug gekauft, das sie auch schon fleißig benutzt, und sie sagte dann „Papi, spiel Schlagzeug!“. Ich schnappte mir die Gitarre – wir haben im Büro auch unseren Proberaum –, wir gaben ihr das Mikro und sie fing an zu singen, das war großartig. Die nächste Generation YOUTH BRIGADE wächst also schon heran.

Wie läuft’s denn so mit dem Label? Mit der Split-Release-Serie habt ihr ja in letzter Zeit wieder ein paar richtige Knaller geliefert.

Als wir BYO 1992/93 reaktivierten, hatten wir nur YOUTH BRIGADE und ROYAL CROWN REVUE. Wir hatten dann Mitte der Neunziger mit YOUTH BRIGADE, BOUNCING SOULS und HEPCAT ein gutes Team, doch BOUNCING SOULS und HEPCAT gingen zu Hellcat bzw. Epitaph und wir schauten uns nach neuen, jungen Bands um. Zu dem Zeitpunkt war Mark aber tourmüde, wollte sich lieber zuhause um das Label kümmern, heiraten, Kind, usw. Also keine Touren mehr und das hilft nicht gerade, wenn du neue Bands für dein Label signen willst, denn die findest du da draußen – so macht das ja auch Mike von NOFX mit Fat Wreck. Gleichzeitig kannst du dann mit deiner eigenen, bekannten Band die neuen, unbekannten Bands auf Tour nehmen und sie so bekannt machen. Wir hatten dann zwar schöne Bands wie PEZZ, FOUR LETTER WORD und JON COUGAR CONCENTRATION CAMP, aber trotzdem war die Zeit ‘96 bis ‘98 ziemlich flau. Es war für kleine Punklabels eben recht schwer geworden, denn die größeren Labels stachen dich regelmäßig aus, wenn es darum ging, eine neue, vielversprechende Band zu signen. Wir sind ehrlich zu Bands, andere Labels dagegen rufen eine, an der sie interessiert sind, wirklich täglich an und versprechen der alles mögliche – da hast du mit Ehrlichkeit keine Chance. Wenn ich in so einer Band wäre, würde mich das aber wahrscheinlich auch mürbe machen. So kamen dann die Platten von ANTI-FLAG oder die letzte 7 SECONDS auf anderen Labels raus. Mit der Split-EP-Idee ging’s dann wieder aufwärts: LEATHERFACE hatten nicht genug Songs für ein Album, die Tour mit HOT WATER MUSIC stand an, und so kam’s zu dieser Scheibe. Es lief gut, und es macht die Sache für uns einfacher: wir müssen die Band nicht unter Vertrag nehmen, es ist „nur“ eine Veröffentlichung nebenher, und so kommen wir auch an größere Bands ran.

War es denn schwer, an RANCID und NOFX ranzukommen?

Nein, gar nicht, denn Mike ist ein guter Freund und er war von der Idee so angetan, dass er direkt den Jungs von RANCID davon erzählte. Die hatten Bock drauf, Tim kam dann noch mit der Idee, sich gegenseitig zu covern, und so kam’s zu diesem Release. Passend zu unserem Geburtstag hat sich diese Platte auch zu unserer bisher bestverkauften entwickelt: bisher war 7 SECONDS ‚Rock Together...‘ mit über 100.000 der Bestseller, mit RANCID/NOFX jetzt sind wir schon bei 160.000...