Wenn sich Ex-THE DILLINGER ESCAPE PLAN-Bassist Liam Wilson mit Christer Espevoll und David Husvik von EXTOL sowie Eleni Zafiriadou von SEA + AIR zusammentut, um Musik zu machen, kann dabei eigentlich nur Gutes herauskommen. Jedoch leben sie weit verstreut, in Großbritannien, Norwegen und Deutschland. Eleni erklärt uns, wie das Projekt zustande kam und wie die Logistik funktioniert.
AZUSA entstanden, als Christer und David sich 2014 bei einem BENEA REACH-Konzert getroffen haben. Der Auftritt seiner früheren Band hat Christer, der vor fast zehn Jahren die Musik an den Nagel hängte, um sich anderen Aufgaben zu widmen, angefixt, wieder selbst Musik zu machen. Ein knappes halbes Jahr später begannen Christer und David zu jammen. Beide sind große DILLINGER ESCAPE PLAN-Fans und wurden hellhörig, als sie mitbekamen, dass Liam sich für EXTOL begeisterte. Die perfekte Grundlage für eine musikalische Kollaboration. Liam war begeistert und David kontaktierte Eleni im Frühjahr 2016. „Er kannte mich von meiner ersten Band JUMBO JET. Anfang der 2000er hörte er mich in dieser Noise-Formation schreien, als wir in Norwegen tourten“, erzählt Eleni. Sie erinnert sich, wie sie selbst EXTOL im Tourvan rauf- und runtergehört haben. „Als die Anfrage von David kam, war ich natürlich neugierig auf ihre neuen Songs. David schickte mir ein paar Demos, die mich sofort flashten. Ich sagte ihm, ich würde im Sommer mit SEA + AIR nach Norwegen kommen und er lud mich daraufhin an einem Day Off zu sich ins Studio ein.“ An diesem Tag nahmen sie „Interstellar Islands“ auf und für die beiden war klar, dass sie nun eine Band sind. Insgesamt waren AZUSA meist separat im Studio. Doch sie halten regelmäßig online Kontakt und tauschen viele Mails. „So werden alle relevanten Dinge besprochen und entschieden.“ Aber für das kommende Jahr sind auch gemeinsame Proben sowie eine Tour geplant.
Als Eleni die Anfrage bekam waren alle Songs bereits geschrieben. Anfangs dachte man nur an männliche Hardcore/Thrash-Sänger, weshalb Eleni die Freiheit hatte, das zu tun, was ihr in den Sinn kam. Eine für sie erfrischende, aber auch furchteinflößende Situation: „Ich nahm ein paar Demos bei mir auf, experimentierte mit Schrei- und Gesangsparts, textete und schickte die Sachen zurück.“ David war schnell klar, dass er mit ihr das fehlende Puzzleteil gefunden hatte, während sich die anderen erst mal an das neue Element gewöhnen mussten. Eleni beschreibt den Gesang in der Musik von AZUSA charmant als Ruhe im Sturm, wohlwissend, dass sie damit zunächst alles durcheinandergewirbelt hat. „Gerade bei schräg getakteten Stellen, denen man instrumental nicht auf Anhieb folgen konnte, brachte der Gesang eine gewisse Struktur in das gewollte Chaos.“
Besonders stolz ist Eleni auf „Heavy yoke“, den Titeltrack ihres ersten gemeinsamen Albums. „Ich erinnere mich noch an die Atmosphäre, in der ich die ruhigen Gesangsparts eingesungen habe“, erzählt sie. „Es war weit nach Mitternacht, wir waren seit dem Vormittag im Studio und ich konnte mich kaum mehr auf den Beinen halten. Dieses schöne schwebende Gefühl, die Kaputtheit des Moments brachten eine spezielle Magie hervor, die ich im Refrain manifestierte.“ Den Song zu hören katapultiert sie immer wieder in diese Geisterstunde zurück.
Durch Liam als Bandmitglied werden sicher viele TDEP-Anhänger hellhörig, aber auch EXTOL Fans werden sich mit AZUSA identifizieren können. Dass die Einflüsse unverkennbar sind, stört niemanden, wie Eleni erklärt: „Klar hört man heraus, woher wir kommen. Aber die meisten reagieren auch auf unser Alleinstellungsmerkmal: Thrash, kombiniert mit einer weiblichen Stimme, die mal schreit und im nächsten Moment ins Mikrofon schmachtet.“ Mit dieser Mischung, die man nicht alle Tage zu hören bekommt, sind AZUSA definitiv ein Exot. Doch werden sich SEA + AIR-Fans ebenfalls für AZUSA interessieren? Nach über 500 Konzerten mit dem Indiepop-Duo vermisste Eleni ihre alte Band JUMBO JET. „Bei SEA + AIR war alles zu Tode choreografiert; eine riskante Zirkusnummer. Man steht da oben auf dem Seil und unter dir ist kein Sicherheitsnetz. So in etwa haben sich die Konzerte angefühlt. Und alle schauen dir beim Fallen zu, haha.“
Bei JUMBO JET konnte sie ihre Interaktion mit dem Publikum stärker ausleben und musste sich nicht hinter ihrer Instrumentenburg verstecken. „Das Expressive, Freigeistige, völlig Punkige. Da stand die Live-Show im Vordergrund, wodurch das Spielerische weniger darunter litt.“ Eleni weiß es sehr zu schätzen, sich in komplett verschiedenen Musikrichtungen ausleben zu dürfen, worin sie auch den Antrieb zum Musikmachen sieht. Und wie verhält es sich mit den Freunden der ruhigeren Töne? „Es gibt da diese Schnittmenge aus JUMBO JET- und SEA + AIR-Hörern. Das sind meistens Leute, die verstanden haben, dass man nicht nur das eine oder das andere ist. Vielmehr zeichnen einen genau diese Gegensätze aus.“ Diese Gegensätze sind es, die AZUSA nun zu dem machen, was sie sind, und mit Sicherheit auch Begeisterung für diese Musik hervorruft. Ob die harte Seite von Elenis Musik alte Fans abschreckt, ist unerheblich, da sie sich über jede Art von Reaktion freut, wie sie ausführt: „Ob das Feedback positiv oder negativ ausfällt, ist zweitrangig. Wenn es extrem ausfällt, zeigt dies zumindest, dass man nicht im Sumpf der Gleichgültigkeit versinkt.“
Doch sind AZUSA eine ernstzunehmende Band oder bloß ein weiteres Projekt von vielen, das sich einfach ausprobieren möchte? „Das werden die Hörer und die Zeit entscheiden“, antwortet Eleni. „Wenn ich darüber nachdenke, wie viel Energie wir bereits in AZUSA gesteckt haben, dann fühlt sich das definitiv nicht nach einem Projekt an.“ Und sie fügt hinzu, dass das zweite Album bereits zur Hälfte aufgenommen, sogar bereits ein drittes in Planung ist. „Wir haben eine gute Chemie entwickelt. Alles in allem: gute Aussichten!“
© by Fuze - Ausgabe #73 Dezember/Januar 2018 und Rodney Fuchs
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