Aus dem Schrank geholt: OI! THE BOOK VOL. 1

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Matthias Mader, Iron Pages, 1996, 144 S., nur noch antiquarisch

Im Herbst 1996 brachte der Berliner Matthias Mader diese Veröffentlichung in seinem Verlag heraus und sie ist bis heute weiterhin relevant. Und das, obwohl ja die Band- und Plattenvorstellungen 1996 logischerweise stoppen. Er stellt in seinem Werk 62 Bands aus UK ausführlich vor, von ANGELIC UPSTARTS bis zu VICE SQUAD. Dabei geht er in Sachen Oi!-Musik (die COCKNEY REJECTS sangen nicht umsonst: „This is the new punk“) sensibel vor und sortiert gleich einmal Bands aus den äußeren politischen Spektren aus. Ergänzt wird das Buch, das in einem recht langweiligen Layout daherkommt, dann noch durch Interviews. So mit dem Oi!-Erfinder Garry Bushell, mit Peter Bywaters von PETER AND THE TEST TUBE BABIES oder mit Mark Brennan von THE BUSINESS. Das liest sich sehr austariert, informativ und fern von purer Lobhudelei, genau wie es sein sollte. Eine Grauzonendiskussion gab es freilich wie in der heutigen Form noch nicht, doch deren Gralshüter wären bei der Vorstellung von CLOSE SHAVE , COMBAT 84 oder den 4 SKINS sicher bereits in Schnappatmung verfallen. Anyway! Selbst Peter sagt im Interview: „Für mich sind Gruppen wie die 4 SKINS usw. auch Punkbands.“

Ein wichtiger Bestandteil waren für die Szene ja vor allem die von Bushell ab 1980 zusammengestellten Sampler. Die ersten vier sind legendär, doch Mader ist so clever, sogar die ersten elf zu erläutern , und auch die „Oi! Chartbusters“-Reihe findet ihre Erwähnung. Schön auch die Ausführlichkeit, die Combos wie THE BUSINESS (sieben Seiten), COCK SPARRER (sechs Seiten) gewidmet wird, auch hier merkt man, dass diese Bewegung aus mehr als nur stumpfer Randale und dem Zerdeppern von Bierflaschen besteht. Dass Bands in ihrer Tradition verweilen und längst schon praktisch abgehakte Bands heute wieder aktiv sind, macht dieses Buch auch im Nachhinein so kurzweilig. Da werden LAST ROUGH CAUSE (wohl nicht zufällig auch aus Darlington kommend, man denke an GIMP FIST) von Szene-Unikum Stefan Spiller gelobt, und deren Song „The violent few“ nicht verkehrt als wahre Hymne gepriesen. Es wird die 1988er-LP noch genannt und dann heißt es eben: „Das war’s dann aber auch schon. Schade ...“ Doch wie wir wissen, hat diese großartige melodische Band, die in eine Reihe mit COCK SPARRER gehört, bereits wieder an Fahrt aufgenommen und neuere Platten veröffentlicht. Das Buch erschien übrigens in jenem Jahr, als die Gewalttätigkeiten auf Oi!-Konzerten abebbten und die S.H.A.R.P.-Bewegung erstarkt war. Auch dies ein Aspekt, sich den räudigen Glatzen einmal auf musikalische Weise zu nähern. Na und die weitere Entwicklung können ja Lesemuffel dann auf Discogs und Co.verfolgen.