ASTROBOY sind in Berlin ansässig und haben dort mittlerweile zwei EPs zur Welt gebracht, die sich im stoneigen Gitarrenspektrum bewegen. Zuletzt gab es mit „Boy/Girl“ eine Doppel-EP – was dahinter steckt und warum das Trio keinen Grunge macht, habe ich mit Gitarrist und Sänger Aaron besprochen.
Aaron, eine kurze Vorstellungsrunde bitte.
ASTROBOY sind außer mir Domi am Bass und Nick an den Drums. Das Ganze kam Ende 2015 zustande, nachdem ich eine neue Gitarrenband gründen wollte. Zuvor war ich in mehreren Bands aktiv gewesen, zuletzt in einem Elektro-Projekt. Domi stieß dazu, ohne ein Instrument zu spielen, geschweige denn je vor einem Publikum gestanden zu haben. Nach gefühlten fünf Proben hat man uns einen Indie-Deal angeboten; da war uns der Weg sofort klar: Großstadt, Musikszene, Band-WG – seit zweieinhalb Jahren sind wir jetzt schon in Berlin. Innerhalb von drei Monaten war alles gepackt. Nick, unser neuer Drummer, hat sich in kürzester Zeit eingespielt. Er ist durch und durch professionell, motiviert und das Herz unseres chaotischen Trios.
Steckt hinter „Boy/Girl“ ein inhaltliches Konzept?
Es hätte auch „Cat/Dog“ oder „Libido/Destrudo“ werden können. Kurzfristig kam uns die Idee, die Songs in Pop und Rock aufzuteilen. Wir wollten die Schublade bedienen und das Klischee füttern. Naiver Sarkasmus, den du auch auf dem blauen beziehungsweise rosa Cover siehst. Die naiven, schönen Melodien sind auf „Girl“, während „Boy“ eine härtere Gangart einschlägt. Eine Genderstudie im Zeitalter der Rollenauflösung, wenn man so will.
Über was singt ihr in euren Texten, wer oder was inspiriert euch beim Songwriting?
Es sind abstrakte, gestörte Gedanken, verpackt in naiven Punkrock/Fuzzpop. Wörter sind nichts! Zur Frage nach unseren Einflüssen sage ich ganz klar: meine Mum. Domi nennt WU-TANG CLAN, Nick RAMMSTEIN. Dazu kommen Scheidungen, Digitalisierung, Vivaldi und der amorphe Zeitgeist des 21. Jahrhunderts.
Wie würdest du eure Musik beschreiben? Und warum ausgerechnet dieser Grunge-Psych-Indie-Rock-Mix?
Wir wehren uns instinktiv vehement gegen Grunge und NIRVANA-Vergleiche, denn Grunge ist ein Wort, das von außen über Bands gestülpt wurde, um sie gleichzuschalten und zu vermarkten. Wir sehen uns selbst als funky Stoner, die naive Punkrock-Elemente und ... ach, keine Ahnung, Mann! Wir setzen uns nicht hin und versuchen, „Grunge-Songs“ zu schreiben. So gesehen gibt es keine Idee hinter unserem Trio – alles andere ist Studiospielerei. Und es bleibt mehr Gage hängen.
Waren NIRVANA total gehypet oder geniale Vordenker?
Interessanter ist doch, wer NIRVANA inspiriert hat, nicht? Sie waren Underdogs, die es an die materielle Spitze des Musikbusiness geschafft haben. So was gab und gibt es seitdem fast nicht mehr. Sie haben der Musikindustrie wahrscheinlich aufgezeigt, dass Rock’n’Roll unter Kontrolle gehalten werden muss. Schade eigentlich. „Nevermind“ war natürlich eine großartige Produktion, aber am Ende sind NIRVANA eine Band wie jede andere. Gut vermarktet, produziert und gehypet. Aber fuck, „Lithium“ ist genial! Total unterbewertet sind nach wie vor die frühen PIXIES, die BREEDERS – ich sage nur „Huffer“! –, METALLICA und unsere Homies CHUCKAMUCK. Und ASTROBOY, haha.
Live hatte ich den Eindruck, dass euer Bass recht dominant ist ...
Da ich ein sehr minimalistischer Gitarrist bin, wird der Bass einfach zum „Vibe-Träger“.Was wäre „Billie Jean“ ohne diesen Basslauf? Unsere Songs entstehen zudem primär aus Beats, auf die alles angepasst wird. Ein kleines Überbleibsel meiner Elektro-Phase. Gitarre und Vocals stellen bei uns nur Zucker dar, der die Stimmung melodisch unterstützt.
Eure Pläne für 2019?
Wir möchten uns 2019 eher auf unsere Soundvision fokussieren. Es sind einige Shows in Aussicht, aber wir kommen gerade aus harten Zeiten und quetschen uns schon durch die nächsten. Klar ist, dass wir spielen werden, und das hoffentlich nicht zu knapp.
Was willst du noch loswerden?
Kultur ist und wird weiter ausverkauft. Die Szene, wir, dürfen aber keinesfalls einknicken, wir brauchen wieder mehr Underground-Clubs und -Kneipen, bestenfalls am Rande der Legalität. Wenn sie deinen Lieblingsclub zumachen, weil ein Investor ihn aufkauft, denk mal drüber nach. Wir brauchen in vielerlei Hinsicht eine Revolution.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #142 Februar/März 2019 und David Prinz