ANTI RITUAL

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No bullshit

ANTI RITUAL aus Kopenhagen haben es bisher zwar erst auf bescheidene 16 Minuten Musik und einen einzigen Auftritt gebracht, aber dafür hat es ihre selbstbetitelte Debüt-EP in sich. Der neu formierte Vierer besteht aus alten Bekannten aus dem Kopenhagener Underground und spielt einen absolut überzeugenden Mix aus Hardcore, Sludge und Black Metal. Der erste Output erschien dieser Tage als gemeinsamer Release von Vendetta und Indisciplinarian, dem Label von Frontman Jacob Krogholt. Wir wollten von ihm wissen, wohin der Weg für Band und Label gehen soll.

Jacob, ihr habt ein außergewöhnlich intensives Debüt eingespielt, so etwas schüttelt man vermutlich nicht so einfach aus dem Ärmel. Wie sieht es mit euren bisherigen musikalischen Aktivitäten aus?


Wir alle haben in den letzten zwanzig Jahren in diversen Metal- und Hardcore-Bands gespielt. Nikolai, unser Drummer, Bassist KB und ich haben beispielsweise vor zehn Jahren eine Death-Metal-Band gehabt, außerdem sind die beiden derzeit noch bei PARASIGHT. Marco blickt ebenfalls auf eine Vergangenheit in unterschiedlichen Metal-, Hardcore- und Powerviolence-Bands zurück, allerdings war er einige Zeit musikalisch inaktiv und macht nun wieder mit uns zusammen weiter. Ich spiele seit 2008 noch bei RISING.

Ihr sagt ganz deutlich, dass ihr die Band mit einer klaren musikalischen, künstlerischen und ideologischen Ausrichtung gegründet habt. Welche Idee steckt also hinter ANTI RITUAL?

Uns war in jedem Fall klar, dass wir nur etwas abseits der Musikindustrie machen wollen. Uns kotzt es an, dass die Industrie aus allem maximalen Profit herausholen will. Wir wollen lediglich Musik machen und sagen, was wir zu sagen haben, ohne weiteren Bullshit. Natürlich ist das ein wenig utopisch, und Kommunikation ist innerhalb eines gewissen Rahmens notwendig, um Musik zu veröffentlichen, so wie beispielsweise dieses Interview. Das ist vollkommen in Ordnung, aber wir reduzieren diese Dinge so gut es eben möglich ist, denn uns geht es um die Musik, sie ist der dürftige Versuch, mit dem ganzen Mist fertig zu werden.

Diese Haltung scheint ihre Entsprechung auch schon im Bandnamen zu finden, der gleichzeitig etwas von einer Zweiteilung hat. Wie genau ist er zu lesen?

Der Name drückt in zweierlei Hinsicht unsere Haltung dem Mainstream gegenüber aus. Zum einen artikulieren wir uns natürlich über unsere Musik, das ist sozusagen unser künstlerisches Ritual. Das „Anti“ ist demnach unsere Kritik, das „Ritual“ hingegen steht für uns, die Art und Weise, wie wir mit den Dingen umgehen, und dafür, dass wir trotz des ganzen Frusts nicht in Apathie verfallen oder in asoziales Verhalten abdriften.

Du sprichst von Frust. Vielleicht klingt es ein wenig naiv, aber aus deutscher Perspektive ist es nicht ungewöhnlich, Dänemark als ein Land zu betrachten, in dem es freier als bei uns zugeht. Was ist trotzdem faul im Staate Dänemark?

Zugegeben, im Vergleich zu anderen Ländern ist Dänemark schon recht liberal und frei, aber die Gesellschaft unterliegt derzeit einem drastischen Wandel. Hier wird gerade alles Mögliche privatisiert, zentralisiert und kapitalisiert. Die Einwohner Westeuropas werden darauf reduziert, Konsumenten und unmündige Wähler zu sein. Unsere Demokratien zerfallen unter der wahren Macht – dem Geld und der Finanzindustrie. Diese greift durch die Politiker auf die Menschen zu. Ihnen wird klar gemacht, dass sie arbeiten und konsumieren müssen, bei Wahlen ihre Stimme abgeben und sonst nur artig in der Reihe stehen dürfen. Natürlich leben wir in einer verhältnismäßig freien Gesellschaft. Man wird auf der Straße nicht erschossen, weil man so was von sich gibt ,wie ich es gerade mache, aber unser Teil der Welt befindet sich in einem Prozess, der, gesteuert von Habgier und dem Diktat des Geldes, auf die Dauer Mensch und Natur zerstören wird.

Stichwort Natur. Black Metal lässt sich häufig gar nicht von der Natur trennen, haben doch viele Black-Metal-Bands ein intensives Verhältnis zu ihr, ob nun direkt oder spirituell. Ihr spielt zwar keinen Black Metal, allerdings lassen sich in eurer Musik deutliche Einflüsse heraushören. Erklär doch mal bitte, wie insbesondere im diesbezüglich vorbelasteten Skandinavien der zum Teil ideologisch fragwürdige Black Metal in ein ganz klar linkes, antifaschistisches Milieu transportiert werden kann.

Es sind vor allem die Aggressionen und die kompromisslose Ästhetik, die sich wunderbar in der Energie der frühen Rockmusik, des Punk und des Hardcore wiederfinden lassen. Black Metal hat einige dieser Elemente, also die Emotionen, Rohheit und pure Aggression, wieder eingeführt, eben Eigenschaften, die den frühen Punk und Hardcore so großartig gemacht haben. Ich sehe kein Problem darin, die Aggressivität des Black Metal mit vernünftigen Ideen zu kombinieren. Mal davon abgesehen haben einige der frühen norwegischen Bands Musik für die Ewigkeit hinterlassen, die auch für meine eigene musikalische Biografie sehr wichtig ist.

„Anti Ritual“ ist ein Co-Release deines Label Indisciplinarian und Vendetta aus Berlin. Zuletzt wurden von dir auch die Alben von RISING und FOSSILS veröffentlicht. Kann man sich noch auf weitere Platten von solch hoher Qualität freuen?

Ich betreibe das Label mit Nikolaj von ANTI RITUAL. In den letzten sechs Monaten haben wir die drei Platten rausgebracht. Wir haben definitiv vor, noch mehr zu machen, vor allem wollen wir die hiesige Szene unterstützen – allerdings sind wir bislang noch über nichts gestolpert, was wir direkt verwenden wollten. Das Label ist keineswegs auf ein bestimmtes Genre festgelegt, wir veröffentlichen einfach das, was uns begeistert. Ganz gewiss wird es in Zukunft noch einiges geben.

Im Juni werdet ihr zum ersten Mal live spielen. Was kann man von ANTI RITUAL noch erwarten?

Unmittelbar, nachdem wir die EP fertig hatten, stellte sich bei uns allen das Gefühl ein, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Wir treffen uns weiterhin, schreiben neue Songs, was vermutlich zu einer zweiten EP oder sogar einem ganzen Album führen wird. Wir haben jetzt erst mal einige Shows in Dänemark klargemacht und würden in Zukunft auch gerne häufiger spielen, am liebsten natürlich auch in Deutschland. Wir haben die EP zusammen mit Vendetta veröffentlicht, und mit ihnen besprechen wir gerade die Möglichkeiten, in Deutschland zu touren. Unter den richtigen Umständen wird das sicherlich eine ganz tolle Sache, vielleicht klappt es schon im Herbst oder zu Beginn des nächsten Jahres. Falls die Leute uns hören wollen, kann ich nur sagen, dass wir dazu bereit sind.