ANTAGONIZERS ATL

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Wahre Geschichten

Anfang August waren im Kölner Sonic Ballroom waren zwei Streetpunk-Bands aus den USA angekündigt, deren Namen mir bis dahin kein Begriff waren, aber einen unterhaltsamen Abend versprachen. Das sehr überschaubare Publikum im Biergarten und im Club machte nicht unbedingt Hoffnung. Unbegründete Skepsis, denn als ANTAGONIZERS ATL – ATL wie Atlanta, ihre Heimstadt – die Bühne betraten, war direkt klar, das ist eines der Konzerte, von denen die wenigen, die dabei waren, in einigen Jahren sagen werden, ich habe sie noch im ganz kleinen Rahmen sehen dürfen. Bohdan Zacharyi als Frontmann legt mit einer Urgewalt los, als würde er vor Tausenden ekstatischer Fans agieren. Was für eine Wucht, was für eine Hammer-Band. Nach diesem Abend war mir klar, ich musste mit Bohdan ein Interview führen.

Bohdan, wart ihr das erste Mal auf Tour in Deutschland beziehungsweise Europa? Welche Konzerte waren besonders gut?


Es war unsere zweite Europatour. Wir waren letztes Jahr schon hier, da aber hauptsächlich in Deutschland, dazu Kopenhagen, Bratislava und Prag. Dieses Jahr waren wir außer in Deutschland noch in Eindhoven in Holland und Badelona in Spanien. Einige denkwürdige Shows waren erneut in Hamburg und Berlin. Die besten Shows sind aber meistens die, bei denen du im Vorfeld gar nichts weißt. Ein gutes Beispiel dafür war Minden an einem Mittwochabend. Da waren so viele unterschiedliche Menschen, Skins, Punks, College-Kids und langjährige Fans gleichermaßen.

Ihr hattet auf der Tour eine kleine Umbesetzung. Statt Richard Henderson war Chris Donnelly von GANG GREEN an der Gitarre.

Ja, schade dass Richard nicht mitkommen konnte, dafür war er letztes Jahr dabei. Eric, unser Schlagzeuger, und Richard arbeiten in der gleichen Autowerkstatt und deswegen kann immer nur einer von beiden mit auf Tour gehen. Diesmal war es Eric und deswegen ist Chris, den wir schon lange kennen und der schon viele Shows mit uns gespielt hat, eingespungen.

Du und die meisten anderen in der Band sind ja schon lange in der Musikszene unterwegs. Gib uns doch mal einen kleinen Überblick.

Ich war schon immer in der Punk- und Skinhead-Szene aktiv. Ich bin in Cleveland aufgewachsen und lebte außerhalb von New York City in Jersey City. Da fing eigentlich alles an, obwohl ich mit typischem American Hardcore wie AGNOSTIC FRONT, WAR ZONE, MURPHY’S LAW, CRO-MAGS, SICK OF IT ALL und mehr aufgewachsen bin. Die Streetpunk-Szene selbst ist im Laufe der Jahre jedoch sehr gewachsen. Meine erste Band war VIBRAM 94 , eine in New York ansässige Oi!-Band, das war 1994 bis 1996. Unser Debüt erschien bei Helen Of Oi! in England und war zügig ausverkauft, es gibt aber einige Nachpressungen. CUT THROAT war von 1998 bis 2002 meine nächste Band. Unser Debütalbum „Dirty Byrd“ ist auf dem deutschen Knock Out-Label erschienen und sollte wahrscheinlich noch günstig zu haben sein. CUT THROAT galten damals als Clevelands erste Oi!-Band, obwohl eigentlich alle Mitglieder wie ich mit amerikanischem Hardcore groß geworden sind. Scott Doland, der später bei der in Cleveland sehr angesagten Hardcore-Band FACE VALUE spielte, war unser Schlagzeuger. Danach gab es schon ANTAGONIZERS, jedoch noch als Band aus Durham, NC, mit vielen Besetzungsänderungen, was es schwer machte, einen gleichartigen Stil beizubehalten. Als ich 2011 nach Atlanta zog, wurde es zudem schwer, die Band zusammenzuhalten. Schließlich wurden daraus ANTAGONIZERS ATL, mit völlig neuer Besetzung. Eine neue Stadt, neue Leute, ein ganz neue Geschichte. Ich habe einige der alten CUT THROAT-Songs neu geschrieben beziehungsweise erst dort zu Ende gebracht. „Just My Luck“ hieß unsere Debüt-EP auf Long Shot Records. Weil wir gut mit GANG GREEN befreundet waren, hatten wir den Plan, das erste Album beim legendären Taang!-Label herauszubringen. Wir waren mit ihnen zusammen auf Tour und spielten dabei auch in San Francisco, wo Mike Longshot von Longshot Records und Pirates Press uns sah. Anschließend bot er uns an, bei Pirates Press zu unterschreiben. Am gleichen Abend noch haben wir uns als Band dafür entschieden.

Das Debütalbum, „Working Class Street Punk“, von dem du sprichst, ist ja schon ein paar Tage alt. Darauf ist auch der heimliche Hit der Band, „Hold your ground“. Ist der Song autobiografisch zu verstehen?

Es ist eine wahre Geschichte darüber, wie man in der Kindheit gemobbt und immer verprügelt wurde. Irgendwann musst du aufstehen und zurückschlagen. Der Song hat tatsächlich viele Freunde inspiriert, sei es als Lebensthema, in der Zeit beim Militär, als tägliche Motivation. Sogar Menschen mit Krebs, die ums Überleben kämpfen. Einige Leute haben uns Briefe geschrieben, wo sie von solchen Situationen erzählen und wie der Song sie inspiriert hat.

Streetpunk und Oi! haben ja leider oft einen zweifelhaften Ruf. Manchmal liegt es an der Band, aber selbst wenn diese definitiv nicht rechts ist, zieht sie hin und wieder trotzdem ein rechtes Publikum an. Wie ist es bei euch, gibt es klare Grenzen?

Ja, es gibt ziemlich klare Grenzen. Ich glaube, dass in Europa manchmal viel mehr über Bands und ihre Politik geurteilt wird, insbesondere bei amerikanischen Bands. Wir haben die Ostküste von Boston bis Miami und die Westküste von Seattle bis Tijuana, Mexiko bereist und hatten bei unseren Shows nie ein Problem. Die Leute kommen, um Spaß zu haben, nicht um Ärger zu machen.Wir hatten bislang auf keinem unserer Konzerte Stress mit rechten Besuchern. Einige größere Städte wie Chicago, Detroit und auch viele in Kalifornien hatten in der Vergangenheit mit ernsten Problemen mit dem rechten Flügel zu kämpfen und mussten sich sehr anstrengen, um diese Typen von ihrer Szene fernzuhalten. Es entwickelte sich eine Zero-Toleranz-Haltung. Innerhalb der Oi!-, der Streetpunk- oder der Hardcore Szene ist es sehr klar, dass der rechte Flügel, oder was noch wichtiger ist, Rassismus und Bigotterie nicht toleriert werden. Das muss aber in alle Richtungen gehen. Manchmal werden die Dinge überproportional aufgeblasen, weil es zu viele Vorurteile gibt.

Wie meinst du das?

Neulich sah ich ein Video, wo ein Mann an einem Stoppschild anhielt und ein Südstaaten-Nummernschild auf seinem Auto hatte. Jemand von den Umstehenden schrie, dass dieser Autofahrer rassistisch sein muss, weil er aus dem Süden kommt. Andere hörten nur das Wort Rassist und griffen daraufhin das Auto an. Es passiert wirklich einfach so. Viele brauchen nur ein Stichwort, um sofort in ihrer Ideologie gefangen zu sein. Aber ehrlich gesagt, fahren wir sehr gut damit, Politik weitestgehend von unserer Musik fernzuhalten. Wir schreiben und spielen Street-Rock’n’Roll und es gibt viele Dinge, über die man singen kann. Der Kampf ums Überleben, aber auch die Freude und das Genießen des Lebens und der Menschen um uns herum. Aufstehen für sich selbst, für deine Familie, deine Freunde und gegen alle Widerstände im Leben anzukämpfen. Dafür standen als Synonym auch die Schlagringe in unserem früheren Logo.

Bands im Bereich Streetpunk, Working-Class-Punk und Oi! sind oftmals Epigonen britischer Vorbilder. Seht ihr euch mehr in der „Tradition“ britischer oder amerikanischer Bands? Oder macht es keinen Unterschied?

Ich sehe heutzutage keinen großen Unterschied mehr, außer im Akzent und manchmal bei der Kleidung. Das war in den frühen Tagen noch anders, da waren Amerikaner und Briten völlig verschieden. Dieser Musikstil ist aber insgesamt durch so viele gute Bands inzwischen viel ausgefeilter gebracht, als er es damals noch war.

Gibt es schon Pläne für ein neues Album?

Wir arbeiten gerade an einer neuen Split-EP, allerdings darf ich zu den anderen Bands noch nichts sagen. Eine davon ist eine große amerikanische Oi!-Band, die anderen beiden sind ebenfalls sehr bekannte Bands aus Europa. Sie wird bei einem europäischem Label erscheinen, das von unserem Label Pirates Press unterstützt wird. Wir tun dies, um mehr deutsche und europäische Fans zu gewinnen. Wir sind in Europa noch nicht so bekannt, also sollte das helfen. Es werden die ersten neuen Songs seit fast drei Jahren sein.