Bei Bands aus Schweden denkt man nicht unmittelbar an die erste Garde Post-Punk-beeinflusster, dunkler Electronic-Bands. AGENT SIDE GRINDER stellen hier eine Ausnahme dar und wagen gekonnt den musikalischen Spagat zwischen CABARET VOLTAIRE, SECTION 25, Gary Numan oder gar SUICIDE; mit einer Hommage an JOY DIVISION und diverse Achtziger-Jahre-EBM-Bands. 2008 in Stockholm von Sänger und Songschreiber Kristoffer Grip gegründet, wäre ihr in diesem Jahr erschienenes Album „Hardware“ auch perfekt dafür prädestiniert gewesen, auf Factory Records veröffentlicht zu werden oder im Sheffield der Achtziger Jahre ernsthaft für Furore zu sorgen. Sänger Kristoffer Grip beantwortete einige Fragen.
Als ich eure Songs zum ersten Mal gehört habe, war das eine Art Déjà-vu in Bezug auf diverse brillante Achtziger-Jahre-EBM- und -Electronic-Bands wie FRONT 242, CASSANDRA COMPLEX, MOEV oder CABARET VOLTAIRE und FAD GADGET. Können wir das so als Primärinspirationen stehen lassen?
Durchaus, die Bands, die du erwähnst, haben sicherlich alle eine erheblichen Einfluss auf uns. Ich denke aber, da wir alle fünf sehr unterschiedliche Inspirationen und Einflüsse haben, macht uns das gerade sehr speziell. Ich habe beispielsweise sehr früh SUICIDE und GUN CLUB für mich entdeckt und beide Bands gehören seither zu meiner musikalischen Sozialisation. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass sie mich als Person geprägt haben. Wenn ich die Texte für AGENT SIDE GRINDER schreibe, kann es sein, dass ich sie mit den Songs von Alan Vega und Jeffrey Lee Pierce vergleiche, um zu überprüfen, ob ich wirklich auf dem richtigen Weg mit meinem Songwriting bin. Nicht in dem Sinne, dass meine Songs von ihnen hätten stammen können, sondern dass sie beide diese Songs auch hätten singen können.
Ihr habt den Song „Wolf hour“ mit Henric de la Cour eingespielt, er klingt wie eine Art Hommage an die dunkle Seite von EBM. Wie seid ihr zusammenkommen?
Als wir „Wolf hour“ geschrieben haben, kam uns in den Sinn, dass irgendetwas Spezielles fehlt bei diesem Song, etwas Neues, das wir bisher nicht versucht hatten. Wir kennen Henric schon ziemlich lange und als uns der Gedanke an ein Duett kam, war er natürlich die erste Wahl. Henric ist eine ziemlich spezielle Persönlichkeit in der schwedischen Undergroundszene und hat bisher in Bands wie YVONNE und STRIP MUSIC sowie diversen Soloprojekten gearbeitet.
Ich finde deine Baritonstimme und deine Art des Gesangs aber auch sehr speziell. Auf welche Einflüsse beziehst du dich als Sänger?
Es gibt hier sehr vielfältige Einflüsse, aber die wirklich relevanten und prägenden sind wohl Jeffrey Lee Pierce, Alan Vega von SUICIDE, Nick Cave, Bryan Ferry oder Jim Morrison von den DOORS.
Euch wird oft nachgesagt, dass ihr mit euren Vintage-Synthies ganz bewusst einen Achtziger-Jahre-Elektronik-Sound generiert, der frei von diesem aktuellen technischen Ballast ist, was ich sehr gut finde. Ist dieser Sound für euch authentischer als moderne Elektronik-Sounds?
Das hat viel zu tun mit unserer generellen Auswahl von Instrumenten. Wir haben eine sehr große Menge an analogem Equipment und haben uns immer geweigert, eine dieser Laptop-Bands zu werden, schon deshalb, weil uns die Live-Auftritte und die Performance viel zu wichtig sind. Analoges besitzt ein gutes Maß an Chaos und Fehleranfälligkeit. Die alte Hardware hat eine ganz entscheidende Rolle in unserer musikalischen Entwicklung gespielt. Dennoch haben wir niemals Kopien unserer alten Masterbänder gemacht. Wir wollen immer noch Musik machen mit Relevanz für die Gegenwart.
Vor einigen Jahren wart ihr Support für SUICIDE in der Schweiz. Das muss doch wie eine Art Ritterschlag für euch gewesen sein. Gab es zu diesem Zeitpunkt Gespräche mit Alan Vega und Martin Rev?
Als alter „Die-hard-Fan“ von SUICIDE war das natürlich ein großartiges Erlebnis für mich. Ein ganz wichtiger Punkt in meiner musikalischen Entwicklung. Wir hatten tatsächlich die Möglichkeit, mit Martin Rev nach der Show zu sprechen, und er fand unser Konzert auch wirklich gut. Wir haben diese zwei Stunden mitgeschnitten und ein Tape-Release daraus gemacht. SUICIDE haben uns auch erlaubt, das gemeinsame Konzerte von AGENT SIDE GRINDER und SUICIDE zu veröffentlichen.
Gibt es Schweden eine mit Bands wie AGENT SIDE GRINDER vergleichbare Szene?
Ich denke nicht, dass es eine spezifische Szene in diesem Sinne gibt, aber wir haben hier zahlreiche Bands mit einem wirkliche guten Ruf wie JASPER TX, I BREAK HORSES, MOKIRA, SKULL DEFEKTS, BLACKSTRAP, PRINCIPE VALIENTE oder PISTOL DISCO. Letztlich haben wir mehr gemeinsam mit der Szene in Europa als mit der schwedischen Szene. Wir haben kürzlich mit O CHILDREN aus London in Utrecht gespielt. Diese Band ist einfach großartig. In Großbritannien gelten sie ja bereits als die legitimen Nachfolger von JOY DIVISION.
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