Mit AGENT ORANGE kam ich eigentlich über eine ältere Ausgabe des Endless Grind Video-Magazins in Berührung, denn dort wurde eines ihrer Lieder als Hintergrundmusik für eine Old School-Skatesession benutzt. Wieder etwas später sah ich dann einen alten Auftritt der Band auf einer Flipside Video-Compilation. Ab da war ich infiziert und tat alles, um deren alte Platte „Living In Darkness“ in die Finger zu kriegen. Seit mir das geglückt ist, bin ich Fan. Nachdem ich leider die letzte Europa-Tour des Trios um Mike Palm verpasste, war die Freude groß, dass sie nach längerer Zeit wieder in Deutschland spielen sollten, zusammen mit den US BOMBS, ONE MAN ARMY und DISCONTENT. Dort bewiesen sie erneut, dass sie immer noch eine der besten Surf/Skate-Punkbands sind und die US BOMBS locker an die Wand spielen können.
Eure letzte Tour ist jetzt schon was her. Wie kam das?
Wir waren nach unserer ersten Europa-Tour ziemlich demotiviert. In London, das war gegen Ende der Tour, brach man in unseren Tourbus ein und wir verloren deswegen viel Geld. Das war aber unsere eigene Schuld. Wir dachten, dass es in London im Gegensatz zur USA viel sicherer wäre, aber manche Dinge sind auf der ganzen Welt gleich. Ich war halt etwas naiv, aber man lernt immer dazu. Wir hatten danach eher schlechte Erinnerungen an Europa, aber es war trotzdem eine gute Tour, die ich sehr genoss. Genau das tue ich jetzt auch bei dieser Tour, sogar noch mehr als vorher. Ich bereue es zwar, dass wir nicht früher wiedergekommen sind, aber es war damals ein finanzielles Desaster, da wir mit viel weniger nach Hause kamen, als wir erwartet hatten. Ich bin froh, dass es jetzt so gut läuft, wie es ist. Wir treffen viele gute Freunde und Fans, wie auch auf der letzten Tour.
Die meisten Leute feiern ja nur eure Hits vom „Living in Darkness“-Album ab. Fragst du dich manchmal, warum du überhaupt andere Platten gemacht hast?
Das ist die Sache als Künstler. Man darf nie seine Wurzeln verlieren und darf auch nicht auf der Stelle treten, sondern muss sich weiterentwickeln, um etwas Neues und Frisches zu präsentieren. Wenn du deine Wurzeln verleugnest, verlierst du dein Publikum. Es ist sehr schwierig, dazwischen die Balance zu finden. Es wird jedes Mal schwieriger, wenn du eine Platte rausbringst, da die Leute immer mehr Informationen haben.
Erzähl mal was über deine Liebe zu KRAFTWERK.
Wir hatten uns ja schon zusammen getan, bevor dieses ganze Punkding aufkam. Alle hörten Sachen wie KISS, BOSTON, REO SPEEDWAGON, FOREIGNER usw., und du glaubst gar nicht, wie sehr uns das gelangweilt hat. Wir haben krampfhaft nach anderen Sachen gesucht und sind dann auf TANGERINE DREAM, KRAFTWERK und Brian Eno gestoßen. Für die damalige Zeit war das alternativ, also Punkrock. Es war sozusagen Pre-Punk. Oder nimm die BUZZCOCKS, so wie die ihre Gitarrenriffs gespielt haben, war es gar nicht so weit weg von KRAFTWERK. Es war schon fast elektronisch, bloß benutzten sie Gitarren statt Keyboards. Ich weiß, dass KRAFTWERK in Deutschland mal ziemlich groß waren, aber im Süden von Kalifornien war es totaler Underground.
KRAFTWERK wurden früher öfters von den Düsseldorfer Punks verprügelt.
Was könnte mehr Punkrock sein, als von Punks verprügelt zu werden, haha ...
Was macht eigentlich dein Industrial-Projekt? Wie war noch mal der Name?
245-T. Agent Orange ist ja ein Begriff für die Chemikalie, die im Vietnamkrieg benutzt wurde, um Bäume und Wälder zu zerstören. Die Tonnen hatten zur Warnung orange Streifen aufgemalt, daher kam der Ausdruck. Einer der Hauptbestandteile dieses Giftes ist 245-T und das ist auch der Name des Industrial-Projekts. Ich habe schon eine Menge großartiger Ideen dafür. Man müsste allerdings viel mehr Arbeit da rein stecken, um es der Öffentlichkeit bzw. unseren Fans präsentieren zu können. Ich glaube auch nicht, dass die dafür schon bereit wären. Das Projekt hat ja auch gerade erst begonnen und es gibt erst zwei, drei richtige Songs.
Hast du eigentlich schon mal gezählt, wie viele Bands sich AGENT ORANGE genannt haben?
Die Einzige, die ich wirklich mitbekommen habe, war eine deutsche Heavy Metal-Band. Doch jetzt fällt mir noch eine Band aus den Niederlanden ein, die Anfang der Achtziger existierte. Ihre 7“ hat sich viel öfter verkauft als unsere.
Euer Bassist spielte heute auch bei den US BOMBS mit, wie kommt’s?
Du meinst unseren ‚neuen‘ Bassisten. Unser alter Bassist, der 14 Jahre bei uns war, bekam ein Angebot, bei Dick Dale mitzuspielen. Auch unser Drummer spielt teilweise bei Dick Dale und bei uns. Ich bin froh, dass Wade Walston von den US BOMBS jetzt auch bei uns spielt, er macht das großartig. Vielleicht bricht jetzt für AGENT ORANGE eine neue Ära an, haha. Viele fragen sich ja immer: Ist das jetzt überhaupt das Original Line-Up? Ich als Musikfan verstehe solche Fragen. Wir gründeten damals die Band, nur weil wir Freunde waren, und keiner wusste, wo sein Talent lag. Die jetzigen Mitglieder suchte ich aus, nachdem ich sah, wie viel Energie sie in die Sache steckten und wie intensiv sie spielen konnten. Für mich zählt inzwischen, dass die Band gut klingt, aber wir sind trotzdem alle gute Freunde. Ich habe schon mit vielen Leuten zusammengespielt, die auch richtig gut waren. Eine zeitlang hatten wir Charlie Quintano in der Band, der früher bei den PLUGZ gespielt hat und sogar mal mit Bob Dylan. Inzwischen ist er bei SOCIAL DISTORTION. Eine Zeit lang hatten wir die komplette Rhythmussektion von SOCIAL DISTORTION in der Band. Da war Brent Miles unser Bassist und Derek O’Brien der Schlagzeuger. Das war unsere AGENT DISTORTION-Periode, haha.
Blöde Frage: Surfst oder skatest du in deinem Alter eigentlich noch?
Ich surfe, so oft es geht. Als ich klein war, habe ich am meisten gesurft. Mein Bruder hatte einen Bike-Shop in Huntington Beach, also war ich jeden Tag am Strand und surfte. Dann ist meine Familie weiter ins Landesinnere gezogen und es wurde immer schwieriger an den Strand zu kommen. Ich fing dann an, mich für Punkrock und Skateboarding zu interessieren. In Los Angeles habe ich dann angefangen Longboard zu fahren. Vor fünf Jahren zog ich nach San Diego und lebte das erste Mal nah genug am Strand, um jeden Morgen surfen zu gehen. Wenn ein schöner Tag ist, lasse ich alles stehen und liegen und gehe surfen. Ich fange gerade wieder an Skateboard zu fahren, da in der Nähe von meinem Haus ein Skatepark aufgemacht hat. Ich liebes es zu grinden und ein paar Old School-Tricks zu probieren. Das macht viel Spaß.
Hast du dein Skateboard mit auf Tour?
Ich nicht, aber ich möchte Duane Peters danken, dass er zwei Skateboards mitgenommen hat. Es ist cool, dass er mir immer ein Board leiht, wenn ich gerade Lust habe zu fahren. Auf dieser Tour bin ich sehr viel Skateboard gefahren.
In letzter Zeit spielen ja wieder sehr viele alte Skate-Bands wie LOS OLVIDADOS, THE FACTION oder JFA. Wie findest du das?
Ich liebe all diese alten Skate-Bands. Wir haben schon Shows mit den CLAYWHEELS gespielt. Das sind Bands, bei denen man weiß, dass sie es nicht nur für Geld tun. Die haben das immer nur gemacht, um Spaß zu haben und sich halt nach einiger Zeit getrennt, wie das im Leben nun mal so ist. Es ist schön, sie dann nach Jahren wieder zu sehen und zwar mit genau derselben Energie wie früher. Diese ganzen Bands haben mich sehr beeinflusst.
Stimmt es eigentlich, dass ein Lied von euch für das Skateboard-Videospiel „Tony Hawk’s Pro Skater 4“ verwendet wurde und ihr gar nichts davon wusstet?
Inzwischen weiß ich es. Ich spiele nicht so viele Videospiele bzw. habe gar keine Konsole, also müssen mir die Leute immer erzählen, was so los ist. Es ist mal wieder ein Beispiel dafür, wenn jemand seinen Vorteil aus dir zieht. Auch Posh Boy, die Plattenfirma, bei der wir unsere erste Platte rausbrachten, hat uns nie vernünftig bezahlt. Den letzten Scheck, den ich bekommen habe, war dafür, dass THE OFFSPRING unseren Song ‚Bloodstains‘ für einen Wrestling-Film namens ‚Ready to Rumble‘ gecovert haben. Dann gab es noch einen großen Film mit Tom Green, der hieß ‚Freddy Got Fingered‘. Dort haben sie ‚Everything turns grey‘ als Hintergrundmusik für eine Skate-Szene benutzt. Dafür mussten die natürlich auch bezahlen. Das sind alles so Kleinigkeiten, die dafür sorgen, dass ich immer noch Musik machen kann. Immer wenn meine Songs im Fernsehen oder im Kino benutzt werden, kann ich meine Rechnungen bezahlen. Touren hält mich am Leben und dadurch werden die Rechnungen bezahlt. Ich mag es, wenn Leute immer noch daran interessiert sind, unsere alten Sachen zu benutzen. Sei es für Filme über Snowboarden, Skateboarden, Surfen oder Kitesurfen. Alles außer Rollerbladen – unsere Musik darf nie zum Rollerbladen benutzt werden.
Was können wir denn in Zukunft von euch erwarten?
Das ist eine gute Frage. Ich glaube nicht, dass wir jetzt noch etwas machen könnten, ohne dass uns direkt der Ausverkauf vorgeworfen wird. Wir machen das jetzt alles schon so lange, nur aus Liebe zur Sache, und das ist auch der Grund, warum es uns noch gibt. Wir hätten ziemliche Probleme, wieder etwas Neues rauszubringen, da unser Name zwar bekannt ist, die Band aber nicht. Unsere Chancen in den USA erfolgreich eine Platte rauszubringen, sind gering mit unserem Punk-Sound. Alles müsste poppiger und sauberer sein. Europa ist da irgendwie ehrlicher, aber wenn wir nur ein Album für den europäischen Markt rausbringen würden, wäre das ja auch komisch. Ich will etwas machen, das wirklich all unseren Fans gefällt. Es soll nicht nur mir gefallen, da sich mein Musikgeschmack über die Jahre sehr verändert hat. Die Leute wollen einen bestimmten AGENT ORANGE-Sound hören und ich will das den Leuten geben können. Es müsste ein Album sein, das besser als unser erstes Album ist und alle umhaut, aber das dauert alles noch eine Weile.
Foto: Craig Morton
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