ACCIDENTS

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Skatebridge Pioneers

Wenn man jemanden sprechen will, der Ahnung von Alkohol hat, dann empfiehlt es sich, in Schweden anzurufen. Genauer gesagt, in Örebro, einem Nest im oberen Süden Schwedens, das an sich wenig reizvoll wirkt, in den Neunzigern aber dank vier Schlawinern, die eine Band namens MILLENCOLIN gründeten, zu ungeahntem Ruhm gelangte. In eben jener Kleinstadt residiert D. Vacuum, ehemaliger Kopf von VOICE OF A GENERATION, und heute Lenker und Denker im Hause der eindrucksvollen Rock'n'Roll-Formation THE ACCIDENTS, die gemeinhin als eine der trinkfestesten Bands around gilt und im vergangenen Herbst mit "Summer Dreams" ein formidables neues Album herausbrachte.

Auf diesem vollzieht die Band zwar keine musikalische 180-Grad-Drehung, denn den für die ACCIDENTS typischen Sound hört man auf dem zwölf Songs fassenden Album überdeutlich durch, etliche gute Melodien und viele sympathische Melancholiemomente waren vor "Summer Dreams" aber noch nicht in den von ZEKE, MOTÖRHEAD und PETER PAN SPEEDROCK inspirierten Sound der Band eingeflossen. Zerstört also Alkohol die Kreativität? Mitnichten, mag man mit Blick auf die ACCIDENTS und ihren neuesten Longplayer sagen. Außerdem sangen schon NOFX "You're wrong about drug use, when it's not abuse" und unterstrichen damit einmal mehr: auf die Dosis kommt es an. Na also, am Telefon gibt D. Vacuum so denn auch nicht den schnöseligen Trinker, sondern ist zuvorkommend, entspannt und redefreudig.

Im Verlauf des Telefonats deutet erst einmal alles darauf hin, dass die ACCIDENTS sehr konzeptionell an "Summer Dreams" herangegangen sind. Was nicht überraschen würde, wirkt das Album in weiten Teilen doch sehr viel ausgefeilter als sein Vorgänger "Poison Chalice", der mehr oder weniger ungehobelt aus den Boxen polterte, zwar nicht schlecht war, jedoch bei weitem nicht die Klasse von "Summer Dreams" besaß. So könnte man vermuten, dass die Band hier sehr bewusst Veränderungen in ihrem Sound angestoßen hat. Zunächst stützt Vacuum diese Vermutung auch, wenn er erzählt, "Summer Dreams" sei das erste ACCIDENTS-Album, vor dessen Release er richtig nervös wurde, da die Band sich von dem Longplayer erhoffte, dass er für sie einen Schritt nach vorne markieren würde. "Früher sind wir mit einer ganz anderen Attitüde an Alben herangegangen. Das Credo war: Ach, egal wir nehmen ein paar Songs auf und schauen, was daraus wird. Das hier ist aber unser drittes Album und hoffentlich bringt es uns ein wenig voran. Weißt du, ‚Poison Chalice‘ war so ein ‚Boom-Album‘ - da schossen dir geradlinige und schnörkellose Songs entgegen. Dieses Mal haben wir sehr intensiv an verschiedenen Melodien und Arrangements gearbeitet. Ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll, aber vielleicht haben wir dieses Mal tatsächlich etwas bewusster an den Songs gearbeitet, uns also wirklich Gedanken über sie gemacht und gerade diese ‚Ach, egal ...‘-Haltung abgelegt."

An dieser Stelle könnte man quasi sagen, die ACCIDENTS seien "erwachsener" geworden. Und ganz Unrecht hätte man damit sicher nicht, klingen Songs wie der Titeltrack, "I walk you home" oder "Weight of the world" doch sehr viel persönlicher und intimer als die songwriterischen Frühwerke der ACCIDENTS. Genau hier winkt der Schwede ab: "Nein, nein, nein, ich denke nicht, dass man sagen sollte, wir würden jetzt persönlichere Songs schreiben als früher. Weißt du, wir sind nach wie vor die ACCIDENTS. Wir proben am Wochenende, spielen mit ein paar Songideen rum und trinken dann solange Bier, bis der Song fertig ist. Das hat sich seit den Anfangstagen der Band nicht wirklich verändert. Zugegeben, ‚Summer Dreams‘ ist durchdachter, was das Songwriting angeht. Aber weitere Veränderungen gab es nicht."

Verwunderlich scheint indes, wie Vacuum und seine Mitstreiter ihr Zeitmanagement gestalten. Die ACCIDENTS nehmen ob zahlreicher Konzerte immer mehr Raum ein. Gleichzeitig - und das ist der Grund, warum die Band nur am Wochenende proben kann - arbeiten alle vier Mitglieder in allerlei Fabrikjobs und belegen unterschiedliche Schichten, so dass unter der Woche kaum Zeit für die Band bleibt. Steht aber eine Tour an, wird der Job gekündigt. Trotzdem: Job und Band zwangen D. Vacuum bereits dazu, ein geliebtes Hobby aufzugeben: Skateboarding. "Zwischen Skateboarden und Punkrock besteht in meinen Augen eine sehr enge Verbindung. Anfang der Neunziger waren die Skate- und die Punk-Szene noch sehr eng miteinander verbunden. Hier in Schweden hörten sehr viele Skateboarder Hardcore und sowohl Skater als auch Punk-Kids hatten diese ‚Fuck you‘-Attitüde. Diese Ablehnung von allem, was in irgendeiner Weise auf die Kommerzialisierung von Skateboarden und Punkrock zielte. Und während die Musikszene im Großen und Ganzen sehr viel harmloser geworden ist, ist es der Skateboard-Szene gelungen, sich diese Haltung zu bewahren. Auch wenn diverse Firmen natürlich versucht haben, Skateboarding zu kommerzialisieren." Sei es drum, seine ACCIDENTS und ihr "Summer Dreams" sind der lebende Beweis, dass es auch in einer im Großen und Ganzen vielleicht harmloseren Musikszene immer noch ein paar Wilde gibt.