Der Journalist Scott Isler ließ sich in der britischen Musikpresse zu folgendem Kommentar hinreißen: „If THE CLASH were the urban guerrillas of Rock’n’Roll, Leeds’ GANG OF FOUR were its revolutionary theoreticians.“ Das hatte etwas Prägnantes. GANG OF FOUR wurden 1977 in Leeds gegründet, in einem Umfeld, das konstitutiv für ihre Attitüde gewesen war, eine brachliegende Industriestadt, Arbeiterklasse, Gewerkschaften, Straßenunruhen und eine Unmenge kreativen Potenzials bei den Absolventen der Leeds University. Leeds steckte mit den Parametern, welche die Stadt prägten, die Eckpfeiler der Einflüsse der Band ab, von einer deutliche Art-School-Provenienz bis hin zu den P-Funk-Einflüsse eines George Clinton (PARLIAMENT).
Nicht zuletzt waren es die politischen und gesellschaftlichen Lebensumstände, es gab Straßenschlachten mit der Polizei und Übergriffe der National Front auf Pubs, in denen befreundete Bands wie die MEKONS und DELTA 5 spielten. 1979 unterschrieben GANG OF FOUR einen nicht ganz unumstrittenen Vertrag bei der EMI. Im gleichen Jahr erschien ihr Debütalbum „Entertainment!“. Ein Monolith in Sachen Post-Punk. Keine persönliche Bestenliste, in der diese genreprägende Veröffentlichung nicht zu finden wäre: „I remember the first time I heard the ‚Entertainment!‘ record. Listening to the razor-sharp rhythm, the little Flea’s mind was blown“, kommentierte es RED HOT CHILI PEPPERS-Bassist Flea. Und Michael Stipe von R.E.M. sagte: „‚Entertainment!‘ shredded everything that came before it. The GANG Of FOUR know how to swing. I stole a lot of them.“ Die erste Single „At Home He’s A Tourist“, im Januar 1979 für eine John-Peel-Session eingespielt, schaffte es in die UK Top 40. Ein Auftritt bei „Top of the Pops“ scheiterte an dem Umstand, dass sich die Band weigerte, eine für das Vorabendprogramm nicht kompatible Textzeile zu ändern. Das hätte auch nicht zum Etikett „Neo-Marxist Funk“ gepasst. Auf diese Weise förderte man ungewollt den Erfolg einer anderen Band: anstatt GANG OF FOUR spielten die DIRE STRAITS.
Die Frustration mit den damaligen Lebensverhältnissen kanalisierte sich pointiert in ihren Texten: „What was on their mind was the notion that everyday life-wage labor, official propaganda, the community system, but also you bought a shirt, how you made love, the feeling you had as you watched the night news or turned away from it was not ‚natural‘, but the product of an invisible hand“, schrieb Greil Marcus (1990). Die Band ging anschließend auf US-Tour, im Vorprogramm der BUZZCOCKS, ursprünglich waren hierfür JOY DIVISION eingeplant, die aber aufgrund des Todes von Ian Curtis kurz vorher ausfielen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #172 Februar/März 2024 und Markus Kolodziej