40 Jahre später: SUICIDE - s/t (LP, Red Star, 1977)

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Das Debütalbum des New Yorker No-Wave- und Electronic-Duos SUICIDE war 1977 die erste Veröffentlichung auf dem vom NEW YORK DOLLS-Manager Marty Thau gegründeten Label Red Star. Martin Rev und Alan Vega zeichneten hier eine düstere und beklemmende Bestandsaufnahme der USA. Sänger Vega, der sich zuvor noch Alan Suicide nannte, hatte sein entscheidendes Rock’n’Roll-Erweckungserlebnis, als er im August 1969 THE STOOGES im State Pavilion in New York erlebte. Jenes Konzert, bei dem Iggy Pop, nachdem Flaschen auf die Bühne flogen und zerbrachen, sich mit den Scherben selbst bearbeitete und sich in ihnen wälzte.

SUICIDE gehörten zu den ersten, die Synthesizer und Drumcomputer einsetzten und Martin Rev traktierte seine teilweise selbstgebastelten Synthies und Billig-Keyboards (beispielsweise ein Wurlitzer-Keyboard, das er für zehn Dollar gekauft hatte), mit der notwendigen Hingabe, Radikalität und dem richtigen Gespür für ein apokalyptisches Klanggewitter. Als Alan Vega Mitte 2016 verstarb, schrieb Henry Rollins über das Debütalbum von SUICIDE: „Ihr erstes Album ist die forderndste und bemerkenswerte Errungenschaft amerikanischer Musik. Ihre provozierenden Auftritte, Lichtjahre vor Punkrock, sind Legende.“ SUICIDE waren geprägt von Negation und Vernichtung und zerlegten in einem nihilistischen Inferno den amerikanischen Traum minutiös und desaströs in seine Bestandteile. Alan Vega war der Elvis from Hell, der über die individuelle Aussichtslosigkeit sang, so wie in „Frankie Teardrop“, der Fabrikarbeiter ohne jedwede Perspektive: „Frankie is so desperate, he’s gonna kill his wife and kids“.

Sein zweites Konzert im Oktober 1970 in New York bewarb das Duo offiziell auf dem Flyer mit „Punk Music by Suicide“, von dem es heißt, es sei das erste Mal überhaupt, das eine Band den Begriff „Punk“ verwendete. Bei den Konzerten sollte es nach dem festen Willen von Alan Vega nicht um Spaß gehen, sondern um den Eintritt in die Hölle, oder wie er sagte: „Fuck you, buddy, you’re getting the street right back in your face.“ Nicht selten kam es zu Schlägereien zwischen Alan Vega und Teilen des Publikums, wenn sein leicht aufbrausender Charakter eben dieses missbilligte.

In den USA wurde ihr Debüt von den Kritikern verrissen, in Europa abgefeiert. Doch auch in Europa tat sich das Publikum mit Auftritten der Band schwer: 1978 traf Alan Vega bei einem Konzert im französischen Metz ein Schraubenschlüssel aus dem Publikum am Kopf. Die Narbe blieb, so wie die stete Provokation bei SUICIDE. Das Debütalbum von SUICIDE steht bis heute als Soundtrack für das Scheitern des amerikanischen Traums Ende der Siebziger Jahre und die Traumata der Generation von Alan Vega und Martin Rev.