40 Jahre später: IDEAL

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s/t (LP, Innovative Communication, 1980)

Das Jahr 1980 war finster: Ronald Reagan wird mit 51% der Wählerstimmen Präsident der USA, der Iran und der Irak stehen sich im ersten Golfkrieg gegenüber und John Lennon wird in New York vor dem Dakota Building erschossen. Vor diesem Hintergrund veröffentlichten IDEAL um die charismatische Annette Humpe – die noch zu ihren sechzigsten Geburtstag verlauten ließ: „Wenn ich das Radio einschalte, muss ich kotzen“ – ihr Debütalbum mit den zu Klassikern gewordenen Songs „Blaue Augen“, „Luxus“, „Hundsgemein“ und „Rote Liebe“. Die Songs spiegeln den dunklen Humor und tiefen Sarkasmus der Band im Neonlicht der Bars und Clubs des West-Berlins dieser Zeit wider. In „Luxus“ singt Annette Humpe: „Im Hilton miete ich zehn Zimmer / Das wollte ich schon immer / Ich springe nackt in den Swimmingpool / So fühl’ ich mich wohl / Ich fresse Krebs und Hummer bis ich nicht mehr mag / Nur dass ich schwitz, ist angesagt / Totaler Luxus beruhigt meine Nerven / Ich will mit Geld nur so um mich werfen / Totaler Luxus kann mich retten / Luxus ist wie Vitamintabletten.“ Geld und Sex sind auch Themen in „Rote Liebe“ und „Roter Rolls Royce“.
Das distinguiere und unterkühlte Auftreten von Annette Humpe wurde perfekt ergänzt durch Gitarrist Frank Jürgen Krüger, der 2007 verstarb, mit seinem Anzug, der an die Zeiten des Wirtschaftswunders oder den frühen KRAFTWERK-Style erinnerte, und der im Song „Hundsgemein“ mit tiefgründiger und lakonischer Verachtung die Zeile knurrte: „Du hast im Ritz gesessen, echten Lachs gegessen / Alles ohne mich! / Sekt und Grappa saufen mit von Hohenstaufen / Alles ohne mich!“ Untermauert durch ein Flügelhorn neben der zackig-kantigen New-Wave-Gitarre. Der Song „Berlin“ ist die Liebeserklärung an die Stadt von Humpe, die in den Siebziger Jahren von Herdecke in die Mauerstadt zog: „Ich kam am Bahnhof-Zoo an und es war Liebe auf den ersten Blick.“ Ihre Position in der Band beschrieb die Musikerin treffsicher so: „Es war ja von Anfang an allen klar, dass ich nicht so ein Singezahn bin, der da vorne blond vorm Mikrofon steht, sondern ich konnte Klavier spielen, ich habe Musik studiert. Ich war eher bossy unterwegs, und ich glaube, dass auf jeden Fall die Männer mehr unter mir gelitten haben als ich unter den Männern.“
Der Eskapismus und die konsequente Antihaltung auf dem Album verhielten sich – wie bereits beim Debüt von FEHLFARBEN aus dem gleichen Jahr – völlig konträr zum Gutelauneschwachsinn der kurz danach aufkommenden NDW. Ende der Siebziger hatten PVC mit „Wall City Rock“ die Wahrnehmung von Berlin geprägt. IDEAL taten es ihnen im gewissen Sinne kurze Zeit später gleich, was Die Zeit in einer Ausgabe aus dem August 1980 in einem Beitrag, der beide Bands hervorhob, und unter dem Titel „Laute Lieder an der Mauer“ passend umschrieb.