40 Jahre später: GUN CLUB

Foto

Fire Of Love (LP, Ruby, 1981)

Mitte der Siebziger Jahre war der junge, schwer von den SPARKS und ROXY MUSIC angetane Jeffrey Lee Pierce beim US-amerikanischen Fanzine Slash als Redakteur für die Sparte „Weltmusik“ zuständig, wofür er unter anderem Bob Marley interviewte. Aber als 1976 das Debütalbum von BLONDIE erschien, drehte sich das Leben von Pierce um 180 Grad. In der Folge wurde er Vorsitzender des BLONDIE-Fanclubs und war befreundet mit Debbie Harry und Chris Stein. Er entdeckte Bands wie X, THE CRAMPS, Richard Hell und TELEVISION und verlor sich in einem brodelnden Sumpf aus Delta-Blues, Punk, Country, Rhythm’n’Blues, Cajun, Jazz und Voodoo, was auch das Cover von „Fire Of Love“ erklärt. Er traf Kid Congo Powers und gründete mit ihm THE GUN CLUB – den Bandnamen hatte ihm Keith Morris von BLACK FLAG vorgeschlagen, mit dem er in Los Angeles in einer WG wohnte – und sie nahmen ihr Debüt „Fire Of Love“ auf, das zu den aufregendsten und emotionalsten Alben der ersten Hälfte der Achtziger Jahre zählt. Pierce war eine, beflügelt von Alkohol und Drogen, zerrissene und aufbrausende Seele, was sich faszinierend in seinen Texten niederschlug. Er war unheilvoll obsessiv, besessen, mitunter mit einem Funken Larmoyanz, und er war radikal schonungslos mit sich selbst und dem Publikum. Nicht wenige Mitmusiker empfanden ihn als ziemlich „schwierig“. „Fire Of Love“, in zwei Tagen mit wenigen Overdubs eingespielt, ist ein Bekenntnis seines inneren Unfriedens und gleicht in vielen Aspekten den Songs der Delta-Blues-Legende Robert Johnson (dessen „Preachin’ blues“ Pierce coverte), speziell bei den Highlights „Sexbeat“ und „She’s like heroin to me“. Die Songs legen offen, wie durchdringend tief ihn der Ein- bis Zweiakkorde-Delta-Blues von Howlin’ Wolf oder Son House beeinflusste. GUN CLUB kreuzten die DNA von Voodoo Trash Blues mit zischenden Slide-Gitarren. Später würden sich Musiker wie Henry Rollins, Nick Cave, Mark Lanegan, Jack White und Sivert Høyem (MADRUGADA) explizit auf dieses Album als Einfluss beziehen. Den Delta-Blues soll Pierce vor allem über seinen Freund Bob Hite, Sänger der L.A.-Blues-Band CANNED HEAT, entdeckt haben, von dem er zehn Blues-Alben bekam. „For the love of Ivy“ ist eine schöne Referenz an Poison Ivy von THE CRAMPS und lässt den Einfluss des Rockabilly deutlich werden. Stets kämpfte Pierce gegen seine zahlreichen Dämonen, was in einem Zitat voller Eskapismus zur Geltung kommt: „There is nothing unreal as life.“ Oft wirkte Pierce wie ein von dunklen Visionen getriebener Wanderprediger in einer Welt aus Kreuzen, Schädeln, magischen Symbolen, Sex und diversen moralischen Giftcocktails, der mehr dem Teufel als der Erleuchtung huldigt.