40 Jahre später: CHARGE

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Perfection (LP, Kamera, 1982)

Die Londoner Punkband CHARGE hätte ganz groß werden können. Gitarrist Stu P. Didiot (Stuart Lunn) ging mit 15 Jahren nach London, gründete hier 1977 zusammen mit Sänger Iain MacLaughlan die Band CHARGE und lebte in einem besetzten Haus. Mit Martyn Watts (dr) und Dave Griffiths (bs) entstand 1979 ein festes Line-up. Ihre Debüt-7“ „You Get What You Deserve“ haben sie durch den Verkauf von geklauten Bleidachkomponenten selbst finanziert und 1980 auf dem eigenen Label You Can All Fuck Off veröffentlicht. Spätestens das im Juni 1980 in Deutschland aufgenommene und auf Trikont erschienene Debütalbum „Caged And Staged – Live In Germany“ (inklusive Booklet mit vielen Bildern und Songtexten auf Englisch sowie in deutscher Übersetzung und Linernotes) sollte der Band eigentlich einen Platz als Anarchopunk-Band zwischen ANTI-PASTI und ABRASIVE WHEELS sichern. Songs wie „No one rules!“ oder „Crawlin’ rebels“ waren eindeutig, nur leider war „Caged And Staged“ ein Live-Album (mit erstaunlich guter Tonqualität, mitgeschnitten in den Kleinstädten Schorndorf und Nagold), bei dem der Funke trotz der musikalischen Qualitäten der Band nicht übersprang. Mit Moose, einem neuen Sänger, ging es weiter. Die nachfolgende 12“ „Destroy The Youth“, irgendwo zwischen G.B.H. und THEATRE OF HATE, erhielt ebenso wie die 7“ „Fashion“ („Fashion, fashion, fashion, I’m a christmas tree“) Airplay bei John Peel, aber zu den ohnehin düsteren Texten entwickelte sich nun auch die entsprechende Musik. Verglichen mit dem Debüt, wirkt „Perfection“ wie ein Hochglanzprodukt. Noch immer mit Inlay und den Songtexten, aber statt im DIY-Stil werden die vier Musiker hier optisch gekonnt in Szene gesetzt. Die Musik – düsterer Gothic/Wave-Rock im Stil von SEX GANG CHILDREN, SCARS und KILLING JOKE – hat mit dem Punkrock der Anfangstage nichts mehr zu tun. Die insgesamt zwölf Titel sind zwar vielschichtig, unter anderem mit dem eingängigen „Dancing on graves“, aber wirken dennoch blutleer – ähnlich wie das eigentlich kämpferische Debütalbum. Trotz kraftvoller Drumpatterns und interessanten Gitarren-Sounds wirkt das Album wie ein Puzzle, das nicht richtig zusammengesetzt wurde. Nach einer Tournee mit DAMNED verließ das streitbare Mastermind Stu P. Didiot 1983 die Band. Unter den Namen FIREWORKS ging es kurzzeitig weiter, dann verlieren sich die Spuren der ehemaligen Bandmitglieder. Martyn Watts trommelte einige Zeit bei Danielle Dax und war von 1987 bis 2006 bei BREATHLESS aktiv. Der mittlerweile in San Francisco lebende Stu verlor 12. Juli 2003 den Kampf gegen den Krebs. Übrig geblieben sind fünf Singles, zwei Alben und die spannende Frage: Was wäre wenn?