Das fünfte Album „Autoamerican“ war für BLONDIE ein Aufbruch und musikalischer Umbruch, denn es war das stilistisch bisher vielfältigste der Band. Der Instrumental-Opener „Europa“ gleicht einer dramatisch inszenierten Ouvertüre mit opulenten Orchesterarrangements und endet mit einer Art Sprechgesang von Debbie Harry zum Thema Automobilkultur in den USA. Neben eher klassisch instrumentierten Rock- und (Bubblegum-)Pop-Tracks erkundete die Band, wie bereits auf den Vorgängeralben, eine Vielzahl von Musikstilen, etwa bei „Here’s looking at you“ (mit einem Klarinettensolo) und „Faces“ (mit Piano und Saxophon) den Klangraum zwischen Jazz- und Kabarett-Einflüssen. Der Midtempo-Track „Angels on the balcony“ lebt noch in ihrer New-Wave-Vergangenheit und mit dem Hit „The tide is high“ gelingt der Band ein eingängiger Reggae- und Ska-Song – es handelt sich um eine Coverversion des jamaikanischen Ska-Hits von THE PARAGONS von 1967. Der prägnante und bis heute stark mit BLONDIE assoziierte Song „Rapture“ bedient sich hemmungslos bei Funk, Rock, Soul, aber vor allem Rap. Es war neben dem fulminanten „The breaks“ von Kurtis Blow der zweite Rap-Song, der seinerzeit ein Millionseller wurde. Im Text verweist Debbie Harry auf die Rap- und HipHop-Pioniere FAB FIVE FREDDY, die mit ihr befreundet waren, und die Songzeile „Flash is fast, Flash is cool“ ist eine explizite Referenz auf Grandmaster Flash. Der Song wurde 2007 von Terry Hall (THE SPECIALS) zusammen mit den DUB PISTOLS gekonnt gecovert. „Rapture“ war der erste Rap-Song überhaupt, der in den USA Platz eins der Single-Charts erreichte. Der fast theatralische Gesang bei „Follow me“ gilt bis heute auch als Inspiration für Madonna. Das Album spaltete Kritiker und Fans, erreichte aber Platin-Status in den USA und UK. Ihre Vergangenheit als herausragende Band im frühen Punk-Umfeld des CBGB war Geschichte, der ebenfalls über die Grenzen von New York hinaus bekannte Club Studio 54 lag ihnen nun näher. Für Drummer Clem Burke ist „Autoamerican“ das beste BLONDIE-Album, auch weil es nicht im dunklen New York, sondern, auf Wunsch des Produzenten Mike Chapman, der etwa auch THE KNACK produzierte, im sonnigen Los Angeles aufgenommen wurde. Gitarrist Chris Stein, Lebensgefährte von Debbie Harry, störte die Sonne eher. Allerdings bestand die Band darauf, dass das Coverartwork aus New York stammte. Dafür positionierten sich die Mitglieder auf einem Dach in der Nähe von New Yorks Broadway nahe 300 Mercer St. Das Bild war ein Auftragsgemälde des Künstlers Martin Hoffman. Die japanische Erstauflage des Albums enthielt eine Bonus-7“ mit einer Live-Coverversion von „Heroes“ von David Bowie.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Markus Kolodziej