Zwar ist die Neo-Rockabilly-Szene in den Achtzigern reich an fantastischen Releases, doch dieses Werk der Berliner aus dem Arbeiterbezirk Neukölln, die noch immer einmal im Jahr einen Gig in ihrer alten Stadt geben, ragt dennoch heraus. Das 1984 gegründete Quartett um Sänger und Gitarrist Tom Reiss gewann in Berlin 1986 den bekannten Senats-Rockwettbewerb, so dass sie nach ihrer ersten Single „Saddle Soup“ aus dem Jahr 1986 und ihrer Maxi „Hard Times“ nun endlich einen finanziellen Anschub für ihre erste LP erhielten. Bei Gerd Bluhm durften sie deshalb fünf Tage im Beat Studio verbringen, einer legendären Bude, die 1984 in den Keller der Berliner Halensee-Grundschule gezogen war. Hier nahmen bereits TANGERINE DREAM oder IDEAL auf. Fünf Songs entstanden dort, ehe es zum nächsten legendären Aufnahmeort in Berlin ging – ins Music Lab! Angelo Plate nahm die Band dort nicht zum ersten Male unter seine Fittiche, denn er hatte sie bereits öfter live abgemischt. Reiss erzählt rückblickend: „Wir waren sowieso immer sehr schnell im Studio, denn durch die unfassbar vielen Live-Konzerte, die wir bis dahin gespielt hatten, konnten wir die Songs immer genau auf den Punkt spielen. Das Timing stimmte immer. Das war ja generell unser Anspruch als Band; jeden Song, in jedem Zustand, zu jeder Zeit gleich gut spielen zu können. Durch dreimaliges Proben pro Woche, heute unvorstellbar, und dann noch Gigs am Wochenende, funktionierte die Band wie ein Uhrwerk.“ Was Reiss hier zu Protokoll gibt, stimmt tatsächlich, allein der Kontrabass klingt unsagbar präzise. Was eher schwierig war bei den Aufnahmeterminen, war die Frage, ob Kontrabassist Rockin B. Buechler auch erscheinen würde ... Aber er tat es. An der Gitarre brillierte Tex Schmidt und Drummer Peter „Machine Gun“ Grun war eh cool bis in die Haartolle. Unter den zwölf Tracks findet sich auch nur eine Coverversion („Lover doll“) und einmal vernimmt man eine gut eingesetzte Mundharmonika („Tscha“). Jeder Song swingt völlig eigen dahin, es macht einfach Vergnügen, wie locker und gelöst das alles klingt. Ärgerlich für die Band ist aus heutiger Sicht nur das Cover. Man war auf Seiten des Labels offenbar der Meinung, die Jungs in ein richtiges Fotostudio schicken zu müssen. Doch der dortige Profi hatte mit dem Begriff Rockabilly nichts am Hut und schob die Musiker im Fernsehstudio-artigen Scheinwerferlicht hin und her, so dass diese genervt dreinblickten. Auch der Rest der Covergestaltung weist Schwächen auf, es wirkt wie billiges DIY, doch Reiss gibt sich hier etwas milde: „Die Musik zählt!“, und damit ist auch alles gesagt zu dieser Perle. Hinter dem Label Korea Records stand übrigens der Plattenladen Vinyl Boogie, hier erschienen auch die stadtbekannten THE WALTONS.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #164 Oktober/November 2022 und Markus Franz