„All Rise“ ist das zweite Album der Chicagoer Punkband NAKED RAYGUN. Es wurde bereits 1985 aufgenommen, aber erst in 1986 auf Homestead Records veröffentlicht. Die Band wurde 1980 von Santiago Durango, Marko Pezzati und Jeff Pezzati gegründet. Letzterer blieb die einzige Konstante bei den diversen Besetzungswechseln. „All Rise“ wurde in folgendem Line-up eingespielt: Jeff Pezzati (Gesang; 1983 bis 1984 auch bei BIG BLACK am Bass), John Haggerty (Gitarre; später bei PEGBOY), Pierre Kezdy (Bass; 2020 verstorben) und Eric Spicer (Schlagzeug). Die meisten der eher kurzen, elf Songs wurden von Pezzati und Haggerty geschrieben, bevor Kezdy und Spicer einstiegen; „New dreams“ stammt gar aus den „Basement Screams“-Sessions von 1983. Das dazugehörige Debütalbum erschien bei Ruthless Records. Gitarrist Santiago Durango war kurz vor der Veröffentlichung bei BIG BLACK eingestiegen, der Band seines Freundes Steve Albini. Die Wiederveröffentlichung von „All Rise“ auf Quarterstick in den späten Neunzigern enthielt zwei Bonustracks: „Slim“, die B-Seite der „Vanilla Blue“-Single, und „Rocks of Sweden“ vom „Rat Music For Rat People Vol. III“-Sampler. Mit insgesamt nur knapp über 26 Minuten Spielzeit erfüllt „All Rise“ eines der typischen Merkmale von Alben aus dieser Zeit („kurz und knapp“), doch treten NAKED RAYGUN hier eher auf die Bremse und donnern nicht so los wie beim Debüt. Ich muss beim Hören oft an die eher melodischen Bands aus Nordengland denken. Melodische, eingängige Gitarrenarbeit, tolle Chöre, mit großem Hitfaktor, besonders beim Opener „Home of the brave“. Fast schon post-punkig kommt aber der Song „Peacemaker“ daher, wo sich auch schöne BIG BLACK-Einflüsse raushören lassen. Kein Wunder, werden auf dem Album doch folgende Credits vergeben: Steve Albini (Design & Artwork), Iain Burgess (Produktion) und Rick A. Cosaro (Fotografie & Design). Ein sehr abwechslungsreiches Album insgesamt; von kurzen Krachern, die nur knapp über zwei Minuten dauern, bis hin zum schon genannten, fast experimentellen „Peacemaker“ ist alles dabei. Jedenfalls war das Album ein echter Meilenstein, selbst aktuelle Bands wie ALKALINE TRIO und RISE AGAINST geben NAKED RAYGUN als wesentlichen Einfluss an. NAKED RAYGUN und die befreundeten Bands BIG BLACK und THE EFFIGIES wurde von der schreibenden Zunft oft ein sogenannter „Chicago Sound“ zugeschrieben, den ich persönlich so nicht höre, zu verschieden klingen die Bands doch im Vergleich. Jedenfalls ist das Album ziemlich gut gealtert, und der Sound wirkt auch 35 Jahre danach recht stimmig und druckvoll. Iain Burgess hat als Produzent tatsächlich ganze Arbeit geleistet.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #158 Oktober/November 2021 und Jürgen Schattner