Der 16.02.1983 war ein bedeutender Tag für mich. Zarte 15 und endlich war es mir gelungen, meine Eltern zu überreden, mein erstes Konzert besuchen zu dürfen. Von der Band kannte ich nur ein Lied, „Police story“, es waren BLACK FLAG. Der Name der Vorband hingegen sagte mir nichts, sie hießen MINUTEMEN, kamen aus San Pedro, Kalifornien und sollten meine musikalische Sozialisierung prägen.
„The Punch Line“ von 1981 war das erste 12“-Album von D. Boon, Mike Watt und George Hurley, jedoch nicht mein erstes Album der Band. Denn die Platte mit der Katalognummer SST 004 war in Deutschland schlicht nicht erhältlich. Allerdings gab es im Rahmen des Kölner Konzertes ihr zweites Album, „What Makes A Man Start Fires?“. Der Wunsch, endlich ein Exemplar in die Hände zu bekommen, kostete mich Wochen täglicher Besuche im Plattenladen. Als schließlich Mitte der Achtziger erste größere Versandhändler anfingen, ihre Kataloge unters Volk zu bringen, gab es endlich Möglichkeiten, an weitere Platten der MINUTEMEN zu kommen. „The Punch Line“ gehörte zu den ersten von mir bestellten Platten.
Wenn ich höre, was sich heute so Hardcore nennt, wird mir übel. MINUTEMEN haben diesen Begriff für mich auf Ewigkeiten geprägt, alles andere ist Metal mit Punk-Stimme. „The Punch Line“ läuft nicht auf 33 rpm, sondern auf 45. In knappen 15 Minuten donnert die Band 18 Songs runter, davon nur zwei, die knapp über die Eine-Minute-Grenze gehen. Keine Schnörkel! In kürzester Zeit bringt man alles auf den Punkt, was es musikalisch zu sagen gibt. In den vierzig Sekunden, die der Titelsong dauert, steckt mehr politische Aussage als in manchem Gesamtwerk: „I believe when they found the body of General George A. Custer quilled like a porcupine with Indian arrows, he didn’t die with any honor, any dignity, nor any valor / I wouldn’t doubt when they found George A. Custer an American General patriot Indian fighter, he died with a shit in his pants“ („The punch line“)
Aufgenommen wurden die Songs an einem einzigen Abend, angeblich mit so gut wie keinen Overdubs, und in der Reihenfolge, wie sie auf der Platte zu hören sind. Produziert wurde von SST-Hausmeister Spot. Beeinflusst von Jazz und Funk, erfanden MINUTEMEN einen eigenen Sound – der extrem basslastig ist, eine eigentlich viel zu funkige Gitarre besitzt, hinzu kommt ein jazziges Schlagzeug und alles in Hochgeschwindigkeit gespielt –, der es so manchem Punkrocker nicht unbedingt leicht machte. Hier waren Virtuosen am Werk, keine irotragenden „Punk’s not dead“-Clowns. Mike Watt, der auf späteren Alben weit weniger Gesangsparts übernahm, ist bei fünf Stücken zu hören, den Rest sang D. Boon. Ein Gigant auf der Bühne, ein Tornado auf Platte, der bedauerlicherweise 1985 bei einem Autounfall mit gerade 27 Jahren ums Leben kam.