Eingestellt wegen institutionalisierten Prügeleien auf den Konzerten sowie auch immer mal wieder sexistischen, rassistischen und homophoben Aussagen und Verhaltensweisen von Bands und Besuchern: Im November 1989 beendete das CBGB in New York seine seit 1982 wöchentlich stattfindenden Hardcore-Matineen. Nur einen Monat später begannen im ABC No Rio, einem in der Lower East Side gelegenen Kulturzentrum, ebenfalls wöchentliche Matineen, jetzt jeden Samstag statt Sonntag. Die bedeutendere Änderung war jedoch, dass das Booking-Kollektiv nur noch Bands buchte, die keine diskriminierenden oder gewaltverherrlichenden Texte hatten, um so für den längst zum Klischee geronnenen NYHC-Macho-Konzertbesucher uninteressant zu sein. Das Konzept funktionierte mehr als 25 Jahre, erst 2016 endeten die Konzertreihe im ABC No Rio, da Abriss und Neubau des Gebäudes notwendig wurden. Die nachmittäglichen All-Ages-Shows waren in den anbrechenden Neunzigern das Zentrum einer neuen Welle von New Yorker Bands, die neben Aggression und Wut auch Angst und Verzweiflung musikalisch vermitteln konnten. Am bekanntesten davon sind sicher CITIZENS ARREST, BORN AGAINST, deren Sam McPheeters das Vermiform-Label betrieb, und RORSCHACH.
„File under fuck“ schlägt der angeranzte Aufkleber auf dem Cover ihres Debüt vor. Einsortieren lässt es sich aber auch als Verbindungsstück zwischen dem Achtziger-Hardcore von DIE KREUZEN, BL’AST! oder den späten BLACK FLAG und nachfolgenden Bands wie CONVERGE und BOTCH, die reichlich Inspirationen von RORSCHACH erhielten. Gitarrist Keith Huckins berichtete allerdings, dass man ursprünglich wie eine Youthcrew-Band klingen wollte. Doch da er sein Instrument lernte, indem er Stücke von Gruppen wie SLAYER oder VOIVOD nachspielte, war das Ergebnis mit RORSCHACH immer deutlich metallischer als angedacht. Insbesondere VOIVOD sind als Einfluss wahrnehmbar, es fügt sich aber harmonisch in den Hardcore-Punk-Background der Musik ein. Sänger Charles Maggio sorgt mit der sicherlich wissentlichen Zerstörung seiner Stimmbänder wesentlich dafür, dass RORSCHACH einen Klang erschaffen, der die Hörer erbarmungslos in die Erschöpfung treibt. Nicht da dieser zu Bewegung animiert oder eine kathartische Wirkung erzielt, wie es aggressiver Hardcore vermag, sondern weil man naturgewaltig überfahren wird, und wenn die meist knappen Songs ausklingen, der nächste Erdrutsch einen noch tiefer begräbt. Das vermag auch die leicht breiige Produktion kaum zu mindern, wegen der 2009 bei Gern Blandsten Records, dem Label des RORSCHACH-Sängers Charles Maggio, eine remasterte Version veröffentlicht wurde.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Simon Brüggemann