Ich erinnere mich, wie diese LP quasi aus dem Nichts bei mir auf dem Plattenteller landete. Das Label Weird System hatte zu dieser Zeit eigentlich eher noch Resteverwertung und – durchaus gute – Nostalgiepflege betrieben (etwa mit dem Sampler „Paranoia in der Straßenbahn“). Mit ... BUT ALIVE brachten sie nun eine neue Hamburger Band raus. Der Sound klang erst mal seltsam, vor allem die Leadgitarre war so präsent, wie ich sie selten wahrgenommen hatte. Beim Gesang versuchte es jemand melodisch, anstatt zu brüllen. All das zusammen wirkte für mich völlig unperfekt – und das war es wohl mit, was mich von Anfang an packte. Es klang ehrlich. Stark, schwach, laut, leise, schnell, langsam, wütend, emo. Die Texte ließen mich mit offenem Mund dastehen. Es war die Zeit der Pogrome und Mordanschläge in Hoyerswerda, Rostock, Mölln und da halfen keine „Latzhosenträger“ in „Birkenstockschuhen“. Gemeinsam erklärten wir allen Spießern die Welt – und ... BUT ALIVE waren für mich die Ersten, die „zugaben“, genauso ratlos zu sein wie ich, obwohl wir meinten, alles zu wissen. „Grau“ war so ein Song und auch „Nur Idioten brauchen Führer“, ein im Rap-Stil vorgetragener schneller Polit-Punk-Song, der von vorne bis hinten in der Analyse des Fremdenhasses (der bis zum Innenminister reichte) stimmte – doch die Hoheit hatten damals einfach die Nazis. Und bei ... BUT ALIVE hieß es gegen Ende des Songs „Angst und Ohnmacht, ich kann nicht mehr“. Dass sich die Band auch in linksradikalen Kreisen und deren Kleinklein nicht nur wohl fühlte, merkte man im Song „Korrekt“ – im Laufe der Jahre sollte es dann immer mehr eskalieren. Dennoch wurden sie auch zwanzig Jahre später noch auf Demos gespielt. Nach dem fantastischen Rausschmeißer „Wir werden“ folgt als 14. Stück ein Hidden Track, rein akustisch. Mit dem in düsterem Comicstil gestalteten Plattencover schaffte es die Band, dass ich mich von da an für den Künstler Eric Drooker interessieren sollte. Es waren alle Texte abgedruckt, wie bei Weird System zu dieser Zeit üblich in sehr schönem Layout. Insgesamt kann ich sagen, dass die Platte für mich identitätsbildend war. Auch heute verwende ich ab und an automatisch noch Zitate aus den Texten, wie etwa den Teil mit den Birkenstockschuhen. ... BUT ALIVE nahmen noch zwei weitere sehr politische Punk-Platten auf. Die vierte war ein für mich nachvollziehbarer Bruch und der Vorgeschmack auf die Pop-Band KETTCAR, die zwei Mitglieder später gründeten und die dann in den Charts landete, nachdem sich ... BUT ALIVE 1999 aufgelöst hatten. Eine Verbindung zur Ska-Punk-Band RANTANPLAN gibt es ebenso bis heute, Sänger Torben spielte bei ... BUT ALIVE die letzten Jahre Bass. Und ist nun auch in den Charts.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #168 Juni/Juli 2023 und Roman Eisner