25 Jahre später: GRAUE ZELLEN

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Voran ins Gestern (CD/LP, Rodrec, 1996)

Mein Schwager war es, der mich in meiner Jugend auf GRAUE ZELLEN aufmerksam machte, indem er mir das Album „Voran ins Gestern“ schenkte, mit dem Hinweis, die kommen aus unserer Umgebung, also Schleswig-Holstein, und machen echt starke Musik. Reingehört und für gut befunden. Die Aufbruchsstimmung, die die Texte vermitteln, findet sich auch in der Energie der Musik wieder. Sehr straight bildet die Gitarre (Knuth Josten) mit dem Bass (Thomas Rautenberg) eine Wand, während der Sound durch das präzise Schlagzeug (Kai Jetter) getrieben wird. Im Vordergrund steht der Sänger (Jan Jetter) mit klarer Stimme und singt über soziale Ungerechtigkeit, Widerstand und persönliche Themen. Deutschpunk-Bands haben oft einen Hang zu stumpfen Parolen und „Hau-drauf-Mentalität“, doch GRAUE ZELLEN unterscheiden sich hier deutlich durch die Wortgewandtheit von Jan, der sich auf einem hohen Niveau mit diversen Themen auseinandersetzt. Da macht das Zuhören nicht nur durch die flotte Gitarre Spaß, sondern auch aufgrund der genialen Texte. Der Opener „Voran ins Gestern“ zeigt direkt, was der Rest des Albums kann. Schon 1996 wurde hier vom zunehmenden Rechtsdruck gesprochen: „Was gestern undenkbar, ist heute normal“. Mitreißende Strophen mit schnellem Gesangs münden dann in einem sehr melodiösen Refrain, der mit wenigen Worten umreißt, was gemeint ist: „Stimmung im Land“. Was GRAUE ZELLEN auf der Platte fabrizieren, können sie aber auch ebenso überzeugend live performen. Mit viel Wucht geht es zur Sache und vor allem Sänger Jan vollbringt hier athletische Leistungen, die selbst mich mit Mitte zwanzig alt aussehen lassen. 2001 kam es zunächst zur Auflösung, diese wurde denn 2013 zum vierzigjährigen Jubiläum der Rendsburger T-Stube unterbrochen, doch die ersehnte Reunion blieb zunächst aus. Mit „Gegenrhythmus“ kam 2019 dann eine Scheibe raus, die Werke zwischen 1989 und 1997 enthält, und dann kam auch die Band in leicht veränderter Besetzung wieder zusammen. Unter den Namen ZELLEN sind nun Jan, Knuth, Micha, Jens und Kai unterwegs und spielen wieder in gewohnter Qualität Musik und auch geniale Live-Shows. Zum Schluss noch zwei erwähnenswerte Dinge: Gemastert wurde das Album unter anderem von Rod González (DIE ÄRZTE) und man erzählt sich (Achtung: Gerüchteküche!), die Gitarre sei ohne Verzerrer eingespielt worden und der Klang stamme nur von der monströsen Lautstärke während der Aufnahme. Ob es stimmt? Keine Ahnung, ist auch nicht wichtig, denn das Album klingt einfach richtig gut und das ist, was zählt.