Mit ihrem Sound treffen 24/7 DIVA HEAVEN ziemlich genau die goldene Mitte zwischen Grunge, Punk und dissonantem Krach. Aber das Trio aus Berlin ist so viel mehr als nur eine Band. Kat, Karo und Mary setzen sich für die Rechte von FLINTA*-Personen ein und kämpfen für mehr Frauen auf den Bühnen dieser Welt. Drei Botschafterinnen für Gleichberechtigung, Empowerment und Awareness. 2021 sind sie mit ihrem Debütalbum „Stress“ auf der Bildfläche aufgeploppt. Jetzt haben sie mit „Gift“ ihr zweites Album fertig und gehen damit ihren Weg konsequent weiter. Garage-Fuzz mit viel Pop-Appeal, Glam und Glitter. Bassistin Katharina „Kat“ Ott-Alavi erzählt im Interview auch, wie die heiß diskutierte FLINTA*-Only-Tour mit TEAM SCHEISSE gelaufen ist.
Vor drei Jahren ist euer Debüt herausgekommen. Wie zufrieden seid ihr mit eurem Start?
Wir sind richtig happy. Wir hatten richtig Glück, das hätte auch schiefgehen können. Es hätte auch sein können, dass wir dieses Album mitten in der Pandemie veröffentlichen und es einfach niemanden interessiert. Wir haben das Album bewusst genau in diese Lücke gepackt, wenn sowieso alles down ist. Dann ist vielleicht auch Platz in den Magazinen, weil andere Bands vielleicht ihre neuen Platten zurückhalten. Diese Chance haben wir genutzt, so haben wir in Magazinen stattgefunden, in die wir als Newcomer sonst vielleicht nie reingekommen wären. Arne von Noisolution hat uns dabei auch sehr unterstützt. Es war von Anfang an eine Welle von guten Nachrichten. Inzwischen konnten wir die Songs von unserem Debütalbum auch exzessiv live spielen. Unser Start hätte nicht besser laufen können.
Jetzt erscheint euer zweites Album „Gift“. Was ist damit gemeint? Geschenk oder Arsen?
Diese Doppeldeutigkeit gehört zum Plan. Das lassen wir offen. Wir fanden es witzig, nachdem der Titel unseres Debütalbums „Stress“ auch auf Englisch und auf Deutsch lesbar ist, wieder einen ähnlichen Begriff zu wählen. Das finden wir einfach gut. Man kann unser neues Album als Geschenk betrachten, aber sich auch daran vergiften. Die Themen auf dem Album sind diesmal auch persönlicher als beim ersten Mal, aber immer noch sehr gesellschaftskritisch. Wir leben gerade in einer Zeit von riesigen Gegensätzen und eine der großen Fragen ist doch, wie man als Gesellschaft zusammenkommt. Ich glaube, das geht nur, wenn man diese Gegensätze akzeptiert. So kann man eben auch „Gift“ in beiden Lesarten wahrnehmen. Gegensätze gehören zum Leben dazu und sind auch auf dem Album zu hören. Sogar auch musikalisch.
Was sind diesmal die Themen auf dem Album? Im Text der ersten Single „Rat race“ geht es um Kritik an der Leistungsgesellschaft. Was beschäftigt euch noch?
Es gibt überall Stress, Streit und Kriege. Natürlich sind auch in unseren Privatleben ein paar Dinge passiert, die wir in unseren Texten aufgreifen. „L.O.V.E. forever“ ist zum Beispiel eine Ode an die Diversität. Obwohl wie alle verschieden sind, haben wir doch alle einen gemeinsamen Nenner. Und am Ende muss die Liebe siegen. Ich wollte auch was Positives finden in diesem ganzen Schlamassel, wo sich alle ständig zerhacken. „Flawless fools“ dagegen dreht sich um Perfektionismus. Gerade Jüngere haben den Anspruch, alles perfekt zu machen und perfekt zu sein. Sie müssen alles schaffen und alles machen, obwohl sich die Welt immer schneller dreht. Irgendwann ist man der perfekte Idiot, der alles richtig macht und trotzdem am Ende nichts davon hat. In „Facedown“ geht es um das Thema Krieg und um das Gefühl der Dunkelheit, das entsteht, wenn wir darüber nachdenken. Wenn man sich in Leute hineinversetzt, die da gerade drinstecken. Ein sehr böser Song. Und „Nothing lasts“ ist vielleicht der ungewöhnlichste Track auf der Platte. In meinen Augen fast schon ein Outro. Sehr untypisch für 24/7 DIVA HEAVEN. Da geht es tatsächlich um Tod und Endlichkeit. Damit musste ich mich in den letzten Jahren viel auseinandersetzen.
Lass uns mal über den Sound reden. Ihr bewegt euch an der Schnittstelle zwischen Punk, Grunge und Noise. Was hat sich aus eurer Sicht verändert?
Ich würde sagen, wir haben an Vehemenz gewonnen. Zumindest in manchen Songs. Gleichzeitig hatten wir voll Bock auf schöne Melodien und haben die auch in unseren Songs unterbekommen. Wir haben uns nicht davor gescheut, auch mal was Poppigeres dazwischen zu packen. Wir haben versucht, eine Balance zwischen diesen Polen zu finden.
In „Crown of creation“ ist BEATSTEAKS-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß zu hören. Wie ist es zu dem Duett gekommen?
Wir waren früher schon riesengroße BEATSTEAKS-Fans. Als Teenies haben wir vor MTV geklebt und alle Videoclips von denen abgefeiert. Dann hatten wir irgendwann die Chance, BEATSTEAKS zu supporten. Da haben wir uns alle ineinander verliebt. Also wir in die und die in uns. Rein platonisch natürlich, haha. Das hat menschlich perfekt gepasst. Dann kam dieser Song „Crown of creation“ und wir dachten, da könnten wir uns Arnim total gut als zweite Stimme vorstellen. Also haben wir ihn einfach gefragt und er hat sofort zugesagt. Das war völlig irre für uns. Das hätten wir uns nie träumen lassen. Das erfüllt unsere Herzen mit großer Freude, weil wir da natürlich immer auch an unsere Teenietage zurückdenken.
Zusammen mit TEAM SCHEISSE habt ihr im letzten Winter eine FLINTA*-Only-Tour gespielt. Wie ist die Idee entstanden?
Das kam von TEAM SCHEISSE. Die hatten damals viele Beschwerden erhalten von weiblichen Fans aus dem Publikum, die Probleme vorne im Moshpit hatten. Die wurden sehr unsanft behandelt oder sogar begrabscht. Diese Feedbacks haben sich gehäuft und so sind sie auf die Idee gekommen, für all diese Leute ein paar spezielle Konzerte zu spielen. Eine Tour als Experiment, als Geschenk und natürlich auch um dieses Thema aufs Tapet zu bringen. Weil wir uns in diesem Bereich engagieren, haben die uns gefragt, ob wir Lust hätten, dabei zu sein. Wir haben lange diskutiert und uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Was bedeutet das? Wie macht man das? Dann haben wir uns dafür entschieden und es war eine sehr schöne Erfahrung. Das hat total Bock gemacht, weil zum Beispiel in Berlin ein Stagedive nach dem anderen kam. Das hat gar nicht mehr aufgehört. Ich habe noch nie so viele FLINTA*-Leute und Frauen in der Luft gesehen. Die Leute kamen nach den Shows mit sehr dankbar zu uns und meinten, das sei die beste Erfahrung überhaupt gewesen. Diese Tour hat aber natürlich auch für große Aufregung in der Szene gesorgt und wurde nicht von allen gut aufgenommen. Auf der anderen Seite wurde viel darüber gesprochen, das ist natürlich sehr gut. In unseren Augen war das keine Aktion gegen Männer. Wir wollen damit nicht sagen, dass sich alle Männer immer kacke verhalten, was ja überhaupt nicht stimmt. Es war einfach eine Aktion für die FLINTA*-Leute. Das war einfach ein Special, das TEAM SCHEISSE vielleicht in kleinerem Rahmen wiederholen werden. Aber das große Ziel ist natürlich, dass alle zusammen auf Konzerten sind und sich wohl fühlen. Egal, welchem Geschlecht sie angehören.
Waren die Konzerte voll?
Bis auf kleinere Städte wie etwa Wolfsburg oder Münster waren die Shows alle ausverkauft. In den Großstädten war es proppenvoll und in den kleineren Städten war noch ein bisschen Luft nach oben. Das hat saugut funktioniert, die Leute hatten richtig Spaß. Für uns selbst waren diese Konzerte auch totales Neuland.
Zusammen mit anderen habt ihr das Berliner Kollektiv Grrrl-Noisy gegründet. Wie geht es da weiter?
Das Grrrl-Noisy-Kollektiv hatte gerade erst sein jährliches Festival. Das war auch für alle offen. Allerdings gibt es jetzt das große Problem in Berlin, dass es kaum noch bezahlbare Venues gibt. Wir versuchen gerade, einen neuen Raum für unsere Aktivitäten zu finden. Wir mussten aus unserer alten Location, der Loge in Friedrichshain, raus und haben noch nichts Neues. Wir machen einmal im Monat eine FLINTA*-Jam-Session und müssen jetzt erst mal pausieren. Hoffentlich ergibt sich demnächst eine neue Option, die Gespräche laufen schon. Aber es ist extrem schwer, einen neuen Club zu finden. Eine fürchterliche Situation für die Subkultur in Berlin. Es gibt kaum noch Bezahlbares, die Venues haben Probleme, sich über Wasser zu halten. Für kleine Kollektive und Veranstaltungen, die nicht wirtschaftlich orientiert sind, ist es sehr kompliziert geworden. Deshalb müssen wir leider abwarten, was sich tut. Wir existieren noch, wir sind aktiv, aber die Jam-Session muss leider noch warten. Es gibt außerdem gerade innerhalb der linken Szene große Kontroversen. Zum Beispiel über die Situation im Gaza-Streifen. Das hat sich alles sehr zersplittert. Es ist schwer, damit umzugehen. Unendliche Diskussionen. Das ist nicht einfach gerade.
Hast du den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren die Situation für Frauen und FLINTA*-Personen in der Branche verbessert hat?
Es passiert definitiv etwas. Das Thema ist auf der Tagesordnung. Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass sich etwas bewegt. Es sind aber Strukturen, die schon so lange verkrustet sind, dass es sehr lange dauert, Dinge aufzuweichen. Wir sind nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein, neben all diesen anderen supercoolen Bands, die sich engagieren. Für Leute, die aktiv sind, fühlt es sich manchmal nicht so an, als ob sich was bewegt, weil man immer wieder auf Dinge stößt, von denen man denkt: Oh Gott, das gibt es immer noch? Dann wird man immer wieder zurückgeworfen. Aber wenn man von oben draufschaut, sieht man, dass etwas passiert. Es gibt aber noch extrem viel Luft nach oben. Ich finde, wir müssen einfach weiter darüber reden. Gerade die großen Veranstalter von Festivals wie Rock am Ring oder große Agenturen müssen mehr Verantwortung übernehmen und nicht nur alles auf kleine Kollektive wie uns abwälzen. Ich sehe nämlich auch, dass viele Leute inzwischen am Ende ihrer Kräfte sind. Bei allen Unterscheidungen und Abgrenzungen müssen wir wieder einen Weg finden, miteinander zu reden und den ganzen Streit in den sozialen Netzwerken hinter uns zu lassen. Da würde ich mir mehr Aufeinanderzugehen wünschen. Von Leuten, die sich engagieren, und von Leuten, die davon nichts wissen wollen.
Spielt ihr noch in anderen Bands? Oder habt ihr kreative Nebenprojekte abseits der Musik?
Das hat uns noch nie jemand gefragt. Das Kreative kommt im Musikbusiness oft zu kurz, finde ich. Weil man sich um so viele andere Dinge kümmern muss. Leider steht das Musikmachen oft an letzter Stelle. Unsere Schlagzeugerin Mary hat aktuell ein Projekt mit zwei Leuten aus anderen Bands, die man kennen könnte. Das ist aber noch nicht öffentlich. Da darf ich noch nichts verraten. Karo geht voll in ihrer Tätigkeit als Polsterin auf. Da ist sie den ganzen Tag kreativ und handwerklich aktiv. Karo und ich haben zusammen mit Tobse und dem Soundmann von BEATSTEAKS ein Projekt namens KATE SCHELLENBACH EXPERIMENT gestartet. Benannt nach einem Gründungsmitglied der BEASTIE BOYS. Die beiden laden dafür Leute ein, mit denen sie Bock haben, Musik zu machen. Dieses Projekt will nichts und soll nichts, das macht einfach Spaß. Da ist noch nichts veröffentlicht, das kommt aber demnächst. Und ich habe angefangen zu schreiben. Ich habe eine monatliche Kolumne im Online-Bereich von Visions über Feminismus und die Musikwelt. Ich habe aber auch schon einen Essay fürs Heft geschrieben. Aktuell arbeite ich an Porträts über besonders erfolgreiche deutsche Songs fürs Goethe-Institut, aber ich hätte auch große Lust auch mal über etwas anderes zu schreiben. Mary hat sich außerdem als Schlagzeugerin selbständig gemacht und ist immer wieder in anderen Produktionen aktiv. Aktuell hat sie in einem Musikvideo für einen anderen Künstler gespielt. Also man kann sie als Musikerin jetzt auch buchen.
Was ist rund um den Release geplant? Eine rauschende Plattentaufe in Berlin? Und im Herbst geht’s dann auf Tour, oder?
Wir machen natürlich eine große Release-Party in Berlin. Am 11. Oktober, direkt an dem Tag, an dem das Album erscheint. Das wird eine feierliche Angelegenheit mit Sektempfang und allem, was dazugehört. So ein Album ist eine Reise. Ich finde, das muss man auch gebührend feiern und darf nicht gleich weiter hetzen. Das passiert in unserem Fall in den Räumen der Neuen Zukunft am Ostkreuz. Im Gespräch ist aktuell noch eine Extra-Party am Vortag, aber das ist noch nicht spruchreif. Mit einem besonderen Überraschungsgast. Möglicherweise gibt es also zwei volle Diva-Party-Tage. Und dann gehen wir auf Release-Tour. Erst mal durch die großen Städte in Deutschland und dann im Frühjahr 2025 wollen wir auch ins Ausland. Also Österreich und Schweiz. Da sind wir dann noch länger auf Tour als im Herbst. Wir wollen jetzt viel live spielen. Die neuen Songs müssen unter die Leute.
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