20 Jahre später: TURBONEGRO - Ass Cobra (Boomba, 1996)

Foto

Am 18. Dezember 1998 spielten TURBONEGRO in Oslo ihr (vermeintlich) letztes Konzert. Scheinbar auf dem Höhepunkt ihrer Karriere verkündeten Norwegens Deathpunk-Pioniere ihre Auflösung – aufgrund von „Drogenproblemen, psychischen Erkrankungen und einer sich anbahnenden religiösen Krise“ seitens Sänger Hank.

Ich war damals 16 Jahre alt und hatte die Band gerade erst bei Viva Zwei entdeckt, wo der Clip zu „Get it on“ in Dauerrotation lief. Statt mir direkt das aktuelle Hitalbum „Apocalypse Dudes“ zu kaufen, erstand ich kurze Zeit später in einem winzigen Berliner Plattenladen die „Ass Cobra“-LP, ihr drittes Album aus dem Jahr 1996. Es war meine erste selbstgekaufte Vinylplatte – und sie stürzte mich abwechselnd in größte Begeisterung und tiefste Depression.

Ich war begeistert von der unglaublichen Energie, die Hank van Helvete, Happy Tom und Co. hier an den Tag legten. „Ass Cobra“ ist derb-abgefuckter Auf-die-Zwölf-Punkrock, der bombastische Glampunk-Sound wurde erst später mit Gitarrengott Euroboy etabliert. Ich war begeistert von den wahnwitzigen Texten, die Songtiteln wie „Bad mongo“, „Hobbit motherfuckers“ oder „Turbonegro hate the kids“ mehr als gerecht wurden. Ich war begeistert von der Mischung aus Cleverness und Chuzpe, mit der die scheinbaren Vollblut-Asis hier ihr Tough-Gay-Sailors-Image etablierten und nebenbei popkulturelle Anspielungen von CRASS bis „Pet Sounds“ einstreuten. Und ich war deprimiert – schließlich hatte sich diese fantastische Band soeben aufgelöst. Ich würde Hits wie „Denim demon“, „Sailor man“ und – natürlich! – „I got erection“ nie live erleben.

Zeitsprung, April 2003. Das nie für möglich Gehaltene ist eingetreten: TURBONEGRO sind zurück. Nachdem in den Jahren seit der Auflösung ein teilweise schon hysterischer Hype um die Band entstanden ist, nachdem „Apocalypse Dudes“ und „Ass Cobra“ einen geradezu legendären Status erreicht haben, wagen die Norweger ein Comeback. Beim Reunion-Konzert in ihrer zweiten Heimatstadt Hamburg komme ich endlich in den Genuss meines ersten TURBONEGRO-Gigs.

Schnell stellt sich heraus, dass die Band sich zumindest künstlerisch mit dem Comeback keinen allzu großen Gefallen getan hat. Das neue Album „Scandinavien Leather“ machte Spaß, reichte aber längst nicht an frühere Großtaten heran. Danach verschrieben sich TURBONEGRO mehr und mehr der Verwaltung der eigenen Legende. Spätestens seit Hank 2011 das Mikro an Tony Sylvester weiterreichte, hat die Band zumindest mein Interesse verloren. Was bleiben wird von TURBONEGRO, sind – neben unzähligen Turbojugend-Chapters in aller Welt – zwei herausragende Platten: „Apocalypse Dudes“, mit der sie den Glampunk auf eine neue Stufe gehoben haben, und aus meiner Sicht noch wichtiger: „Ass Cobra“, das Album, das der Welt den Deathpunk geschenkt hat.