TSUNAMI BOMB aus Petaluma, Kalifornien gründeten sich 1998. In der Frühphase der ersten EPs war der Sound noch keybordlastig und garagig, was sich allerdings mit dem Wechsel zu Joe Escalantes (VANDALS) Label Kung Fu Records änderte. „The Definitive Act“ ist der zweite Longplayer auf Kung Fu von TSUNAMI BOMB und auch gleichzeitig der Höhepunkt ihres Schaffens. War das Debüt „The Ultimate Escape“ schon ein respektables und aus der Masse hervorstechendes Pop-Punk-Album, gelang den Kalifornier:innen nun der Spagat zwischen Neunziger-Pop-Punk, Horrorpunk, Hardcore und einem ersten Blick in Richtung dessen, was kurze Zeit später unter dem Etikett „Emo“ kommerziell durch die Decke gehen sollte. In namentlichen Referenzen ist es ein Querschnitt aus den VANDALS, AFI, H2O, aber eben auch MY CHEMICAL ROMANCE.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Band in dieser Schaffenszeit ist die Stimme der 1999 eingestiegenen Sängerin Emily Whitehurst (Agent M.), die mit ihrer Bandbreite von glasklaren cleanen Vocals bis zu rotzigem Shouten alles abdeckt und durch ihre Bühnenpräsenz so etwas wie die Penelope Houston der Generation Skatepunk wurde. Wäre „The Definitive Act“ glatter produziert worden und hätte man die gelegentlichen Gangshouts, Schreiattacken und Uptempo-Nummern rausgelassen, hätte das Album kommerziell eingeschlagen und TSUNAMI BOMB zur kleinen Schwester von NO DOUBT machen können. Zum Glück ist das nicht passiert. Zu offensichtlich sticht die Punkrock-Sozialisation der späten Generation X ins Auge, als dass sie auch als Einkaufszentrumsbeschallung funktioniert hätte. Es gibt diese übersehenen Alben, Bindeglieder zwischen Dekaden und (Sub)Genres. „The Definitive Act“ ist so ein Album, das inhaltlich zwischen feministischem Empowerment, Horrorklischees und Teenagerwut schwankt und musikalisch von San Francisco 1977 bis New Jersey 2001 alles anreißt. Hätten sich die AVENGERS erst im Jahr 1998 gegründet, hätten sie diese Platte gemacht.
Einige Line-up-Wechsel führten 2005 dazu, dass die Bandchemie nicht mehr stimmte und TSUNAMI BOMB waren Geschichte. Gute Nachfolgebands gab es einige, unter anderem LOVE EQUALS DEATH, NOTHINGTON, außerdem mit Beteiligung von Whitehurst THE ACTION DESIGN und SURVIVAL GUIDE. 2015 starteten einige der ursprünglichen Mitglieder einen Neuanfang und veröffentlichten mit „Trust No One“ eine Zusammenstellung ihrer frühen EPs. Es folgte 2019 das Album „The Spine That Binds“ auf Alternative Tentacles, das sich wieder mehr auf den synthiegeprägten Sound der frühen Tage besann. Dies allerdings ohne Emily Whitehurst, wodurch die Band nicht mehr an dieses Meisterwerk von 2004 anknüpfen konnte.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #172 Februar/März 2024 und Daniel Schubert