108

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Transzendente Metaphysiker unter sich

Gut zweieinhalb Jahre nach dem, nennen wir es mal Comeback-Album „A New Beat From A Dead Heart“ kommen 108 mit einem neuen Brecher namens „18.61“ um die Ecke, welches wieder auf dem sympathischen und integren Label Deathwish veröffentlicht wird. Kürzlich bestätigten sich allerdings die Gerüchte, dass Sänger und Gründungsmitglied Rob Fish die Band endgültig verlassen habe. Solch eine Nachricht während der Promophase einer neuen CD/LP ist zeitlich natürlich schlecht gewählt, aber solche Dinge passieren nun mal. Vic DiCara, Gitarrist und das Herz der Band, stand mir Rede und Antwort auf die Fragen, wie es nun mit 108 weitergehen wird.

Zuerst einmal: Herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen, sehr gelungenen Album. Es wurde an einem Wochenende eingespielt und kommt, meiner Meinung nach, noch etwas rauher, grober, organischer und dynamischer rüber als der Vorgänger. Woran liegt das?

Vielen Dank! Nun, das ist so, weil es eben an nur einem Wochenende aufgenommen wurde. Außerdem haben wir das ganze Album rein analog und in nur jeweils einem Take aufgenommen. Es gibt demnach keine digitalen Verbesserungen oder Spur-Korrekturen.

War es eher eine spontane Idee, das Ganze an einem Wochenende durchzuziehen? Die meisten Bands würden sich mehr Zeit für Aufnahmen nehmen.

Die meisten Bands haben einfach mehr Zeit, um ein Album aufzunehmen. Die hatten wir leider nicht. Aber ich bin froh darüber. Ich denke, manchmal ist es großartig, wenn man ewig an Dingen arbeiten kann, aber noch öfter glaube ich, dass es besser ist, wenn man einfach per Bauchgefühl handelt, einstöpselt, die Knöpfe auf die richtige Position stellt, Aufnahme drückt und loslegt. Musik ist emotional, nicht intellektuell, und daher glaube ich, wenn man zu lange daran hantiert, kann es schnell zu intellektuell werden.

Worum geht es textlich gesehen bei dem Album? Wer schreibt bei euch die Lyrics?

Die Texte umschreiben verschiedene Blickwinkel und Ansichten einer spirituellen und philosophischen Einstellung zum Leben. Wir haben alle an den Texten für dieses Album geschrieben.

Haben sich die textlichen Inhalte und Aussagen der Band über die Jahre geändert?

Ich denke ja, in einigen Punkten zumindest. Bei den ersten drei Alben habe ich alle Texte verfasst, jedes Wort. Sie waren aus poetischer Sicht dann auch irgendwie etwas komplizierter und vertrackter. Bei den letzten drei Alben waren die Texte immer mehr ein Resultat unserer Zusammenarbeit. Es gibt dort weniger Genauigkeit in Hinsicht auf den dichterischen Takt und Klang, dafür aber mehr Bildsprache. Aber wenn es um die Bedeutung der Texte geht, hat sich nicht wirklich viel verändert. Die Band ist immer noch von den gleichen Dingen fasziniert, das wird auch immer so bleiben. Bedeutung und Inhalte der Texte sind mehr oder weniger der zentrale Kern, der 108 zu 108 macht.

Wollte Rob, dass es inhaltlich in eine etwas andere Richtung geht?

Jeder findet seine eigene Bedeutung in all den Dingen. Wenn ich das Wort „ruby“ sage, denkst du vielleicht an etwas anderes als ich. Wenn ich „egg“ sage, denkt vielleicht eine Person das eine und die andere an was ganz anderes. So funktionieren der menschliche Verstand und unsere Sprache.

Auf dem Cover erkennt man die zwölf Sternzeichen.

Astrologie ist die Wissenschaft, um das Karma zu verstehen. Karma ist das Schlüsselkonzept der Metaphysik, insbesondere der fernöstlichen Metaphysik. Darum geht es auch bei 108: um transzendente, metaphysische Themen.

Euer Sänger Rob hat die Band vor einigen Wochen verlassen, was waren seine Beweggründe?

Ich würde sagen, er konnte sich nicht länger als Sänger dieser Band sehen. Er wollte, so weit ich das verstanden habe, weniger damit zu tun haben, der Repräsentant metaphysischer Ideen und Themen zu sein.

Hat sich das relativ kurzfristig ergeben oder gab es da schon immer Reibungspunkte und Unstimmigkeiten?

Ich schätze, auf der einen Seite war es schon eher längerfristig, da Rob in Bezug auf Krishna-Bewusstsein und Metaphysik schon immer etwas anders war als ich oder auch Trivikrama. Auf der anderen war es auch etwas Kurzfristiges, wenn es um die Entscheidung an sich geht.

Kam für euch keine Umbenennung in Frage? Viele Bands machen so etwas, wenn der Sänger wechselt. Aber bei euch wird sich ja an der Bedeutung der Band nichts ändern, oder?

108 ist 108. 108 ist nicht Rob Fish, weder bin ich es, noch Trivikrama, noch sonst wer, noch eine Kombination aus uns allen. 108 existierte schon in so vielen verschiedenen Formen mit den unterschiedlichsten Leuten, die alle sehr unterschiedliche Rollen gespielt haben. Sicher bin ich noch am ehesten eine Konstante, als treibende Kraft und der, der die Musik schreibt und Texte verfasst. Aber selbst, wenn ich die Band verlassen würde, könnte 108 wunderbar weiterbestehen. 1996 wollte ich die Band nicht aufgeben, ich wollte nur keine Rolle mehr in der Band spielen. Tatsache jedoch ist, dass 108 der spirituelle Ausdruck eines Selbst in Form von Klang ist. Wichtig ist, dass der Ausdruck direkt von den Individuen selbst stammt, egal, wer da nun involviert ist.

Bekommt das Label bei solchen News nicht erst mal einen Schock? Ich meine, es wird viel Promotion rund um ein Release gemacht und dann kommt so eine Meldung?!

Sie sind froh, dass wir weiterhin Musik machen werden. Das Timing war von uns schon nicht sehr nett, das muss ich zugeben. Es war eine sehr plötzliche und verwirrende Sache. Gewissermaßen zog sich die Veröffentlichung des Albums aber auch 14 Monate hin. Ja, wir haben das Album wirklich über ein Jahr vor seiner Veröffentlichung aufgenommen! Die Welt ist voller Fehler. Ich entschuldige mich für die Fehler, die ich gemacht habe, und ich werde versuchen, weniger zu machen. Das Wunderbare jedoch ist, dass Deathwish trotz allem immer an die Platte geglaubt haben. Sie haben sie mit einer wunderbaren Verpackung veröffentlicht und zusammen haben wir uns bemüht, dass der Sound der Platte wirklich einzigartig und grandios ist, und das ist es, was zählt.

Wie sieht es nun aus bei 108, wer wird der neue Sänger? Gibt es da schon einen genauen Plan?

Wir müssen abwarten, was 108 für eigene Pläne hat. Ich könnte jetzt „xyz“ sagen, aber wenn 108 „abc“ will, dann wird „abc“ eintreffen. Wir schreiben jetzt erst einmal neue Songs und ich werde singen. So weit, so gut, aber für die Zukunft ist immer alles offen und das macht es so aufregend.

Ich habe gelesen, dass das neue Material, welches ihr jetzt schon geschrieben habt, wieder mehr in die alte Richtung geht, sprich: „Holyname“ und „Songs Of Separation“. Die besten Songs entstehen ja meist aus dem Bauch heraus ...

Auf jeden Fall! Das Bauchgefühl spielt bei 108 eine große Rolle.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Deathwish? Ist Jake auf euch zugegangen oder habt ihr Label-Shopping betrieben?

Ich kann mich da gar nicht mehr so ganz dran erinnern. Ich glaube, Rob war da mehr hinterher. Er würde es jetzt besser erzählen können als ich. Ich glaube, es war so in etwa wie in Michelangelos Sixtinischer Kapelle, wo der eine nach dem anderen greift.

Wie sieht es mit dem Publikum aus? Habt ihr immer noch mehr die „alten“ Fans, die euch in all den Jahren begleitet haben, oder sind auch viele junge Leute dazugekommen, die 108 erst mit den letzten zwei Alben kennen gelernt haben?

Die meisten Leute, die vor zehn Jahren harte Musik hörten, sind heute nicht mehr ganz so mit der Leidenschaft dabei. Die meisten, die zu einer 108-Show kommen, sind keine „Oldtimer“, die Mehrheit ist so zwischen 16 und 24. Ich denke, dass die älteren Leute zwar noch die Musik hören, nur nicht mehr so zu den Shows gehen, aber ich weiß es einfach nicht.

Welche Musik beeinflusst beziehungsweise berührt euch heute?

Ich bin immer an neuen Sachen interessiert. Momentan vermische ich auch Altes mit Neuem, ich gehe dann vor und zurück in der Zeit. Kürzlich habe ich David Bowie für mich entdeckt. Ich höre sehr gerne alten Rock und übertrage das dann in einen modernen Stil. Das war schon immer so, ich höre halt immer noch gern LED ZEPPELIN oder die DOORS.

Bei 108 gab es ja eine langjährige Pause, ihr seid nicht mehr so oft auf Tour und der „normale“ Alltag scheint oft wichtiger zu werden. Wie siehst du das?

Also, wenn du 18 und unverheiratet bist, ohne Kinder lebst, keine Schule oder Uni besuchst, kannst du machen, was immer du willst. Du kannst also Dinge machen, die nichts bis kaum etwas abwerfen und das eine ganze Zeit lang. Aber wenn du 38 und verheiratet bist und Kinder hast, kannst du so was nicht mit reinem Gewissen durchziehen. Du musst Geld verdienen, um deiner Verantwortung nachkommen zu können.

Habt ihr auch noch Kontakt zu den alten Bekannten aus der SHELTER- und Equal Vision-Zeit?

Wir versuchen sicher in Kontakt zu bleiben, doch es gibt da immer nur sehr wenige Möglichkeiten. Vielleicht ändert sich das in Zukunft etwas.

Haben die alten Zeiten noch irgendeine Bedeutung für dich?

Ich sehe da keinen Unterschied zwischen den alten und der neuen Zeit oder der Gegenwart. Es ist alles das Gleiche. Von daher ist die Vergangenheit ebenso wichtig wie die Gegenwart und die Zukunft so wichtig wie die Vergangenheit. Alles ist bis zu einem gewissen Grad voneinander abhängig, so dass sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kaum darin unterscheiden, wie wichtig sie sind.

Ist die Hardcore-Szene oder das Genre allgemein heute anders im Vergleich zur Szene in den Achtzigern und Neunzigern?

Eigentlich nur oberflächlich gesehen, im Wesentlichen ist es doch das Gleiche. Vielleicht ist das auch gut so auf eine Art und Weise, nämlich weil sie sich somit erhalten hat. Aber es ist auch traurig. Wenn wir immer nur Dinge konservieren wollen, vergessen wir, etwas Neues zu kreieren, und ich denke, das ist im Hardcore auch passiert.