Foto

POGENDROBLEM

Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen

Erstaunlich, wie man dieser Band beim Erwachsenwerden zuschauen konnte. Das „Kotzen“-Video ist legendär, pure Teenage-Dorfpunk-Romantik aus den Suburbs des Kölner Suburbs Bergisch Gladbach. Dann kam 2017 das „Raus“-Tape, 2018 „Erziehung zur Müdigkeit“ und im Ox konstatierten wir bereits, es klängen die „Dorfpunks nun schon hörbar nach Großstadt, Beton und zwei bis drei Semestern Soziologie.“ Bei „Ich – Wir“ von 2020 war dann die Weiterentwicklung, die ich als „Goldenezitronifizierung“ bezeichnen würde, noch weiter fortgeschritten, nur eben nicht so wie bei den Hamburgern, die sich einst eher allmählich von Fun- zu Diskurspunk entwickelt hatten. Und wenn man mal ehrlich ist, nahmen DIE GOLDENEN ZITRONEN ihren Wandel von Punk zu Artpunk zu Kunst auch immer ein ganzes Stück ernster und ... ja, humorloser. Die massiv durch MÜLHEIM ASOZIAL sozialisierten POGENDROBLEM mit ihren (wohl unbewussten) Rückgriffen auf NOVOTNY TV und KNOCHENFABRIK sowie PISSE (statt Orgel und Theremin gibt es hier an vier Stellen ein Waldhorn zu hören) sind für mich ein ganzes Stück „echter“ als die dauergelobten TEAM SCHEISSE, wo ich immer auf die Enthüllung warte, dass das alles nur eine geschickte Inszenierung war. POGENDROBLEM sind hier einerseits immer noch die rumpeligen Dorfpunks, wenn sie wollen, mit Texten in der Diktion von Frühachtziger NDW-Punk („Spätilord“, „Hund“, „Scherbensplitter“), aber eben auch ganz schön sophisticated, etwa bei „Coming of age“, „Das Gefühl“, „Vermögensteuer“ (das könnten auch vor dreißig Jahren DIE KASSIERER geschrieben haben), „Flucht“ oder „Militante Untersuchung“. Und dann ist da auch „Shirt an“, wozu es auch ein Video gab, zu dessen Release eine zwischen Wokeness und Wut changierende Social-Media-Diskussion tobte – POGENDROBLEM standen grinsend daneben. Punk ist Provokation, wobei man für eine Provokation gar nicht mal bewusst provozieren muss, wie man hier sah. Gregor Henning hat das Ganze im Bremer Studio Nord in eine Produktion gepackt, mit der die 14 Songs gut in Szene gesetzt sind. Es rumpelt, wo es muss, es ist differenziert, wo nötig. Proudly presented by Audiolith, Initiative Musik gGmbH und Neustart Kultur. All das und mehr ist Punk 2022.