Viel ist passiert bei ANNISOKAY. Neuer Sänger, neue Songs, neues Album, neue Themen. Wir sprechen mit Sänger und Neuzugang Rudi und Sänger, Gitarrist und Mastermind Christoph über ein verschenktes Jahr und wie es ist, ein prominentes Bandmitglied auszutauschen.
2020 war gefühlt ein Jahr, in dem in der Musikwelt nichts passiert ist. Daher dachte ich auch irgendwie, dass Rudi gerade erst in die Band eingestiegen ist. Tatsächlich bist du auch schon über ein Jahr dabei. Trotzdem ist es für dich das erste Album mit dieser Band. Wie hat sich die Produktion für euch angefühlt? Musstest du erst deine Rolle finden?
Rudi: Ich kenne die Jungs ja schon länger, auch privat und aus meinen vorherigen musikalischen Projekten. Daher war es jetzt auch nichts Neues, bei Christoph im Studio zu sein. Dennoch ist so, dass Christoph mich bei seinem eigenen Projekt mit ins Boot holen möchte. Das ist doch wieder was ganz anderes. Er hat ja seine Vorstellungen davon, und ich will mich natürlich auch gerne mit einbringen. Das hat auch gut geklappt, mit der Zeit wurde das immer runder, wir verstehen uns und es hat auch viel Spaß gemacht, was ja auch wichtig ist. Aber für das erste Album findet man sich ja erstmal zusammen, wobei ich auch hoffe, dass das in der Zukunft noch mehr wird. Daran habe ich auch keine Zweifel.
Christoph: Wir kennen uns schon länger und haben auch bereits zusammen gearbeitet, da ich ja an seinen vorherigen Bands immer mal als Produzent beteiligt war. Dadurch kannte er auch das Studio. Für Rudi war das wahrscheinlich dann noch neuer als für mich, denn als wir aufgenommen haben, hat sich das gleich total gut zusammengefügt. Ich weiß noch, wie wir hier saßen und ich mich nach jeder Aufnahme total gefreut habe, weil es so geil klingt, und du hast immer nicht so richtig kapiert, was ich jetzt habe, haha! Mir hat die Arbeit auch sehr viel Spaß gemacht. Ich schreibe ja hauptsächlich die Songs und man hat natürlich schon immer eine Vorstellung im Kopf, wie das klingen soll, wenn der Shouter das einschreit. Und er hat das direkt so umgesetzt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Meistens war es sogar noch besser. Rudi hat coole neue Sachen mit eingebracht, neue Einflüsse ...
Rudi: Jetzt ist aber mal gut, Christoph, haha!
Christoph: Haha, ich weiß, ich darf dich wahrscheinlich nicht so viel loben!
Rudi: Wir hatten schon eine Menge Spaß und manchmal auch ein paar Bier dabei. Gerade durch Corona hatten wir auch mal ein wenig mehr Zeit, da konnte man etwas flexibler sein.
Wenn man als Band jemanden findet, der da gut reinpasst, ist das eine Sache, doch für die Fans ist es oft schwieriger, wenn ein Bandmitglied ausgetauscht wird. Gerade wenn es der Sänger ist. Aber bei euch war das gar nicht so ein Problem, da wurde der Wechsel ziemlich gut angenommen. Ist das auch der Eindruck, den ihr hattet?
Christoph: Bei der ersten Single mit Rudi hatte ich überhaupt keine Bedenken, eher Vorfreude. Der Song ist einfach fett und wird den Leuten gefallen. Dass es Leute geben würde, die sagen, dass das scheiße ist und früher alles viel cooler war, davon sind wir natürlich ausgegangen. Es ist auch ganz normal, dass das passiert, da sich viele auch auf Rudis Vorgänger, den Dave, eingeschossen hatten. Das ist ja okay und wäre sonst auch schade, denn die haben ja alle Lieder mit ihm gut gefunden. Aber dieser Wechsel war unvermeidbar und für uns auch eine positive Sache. Für einige Fans jetzt nicht, aber wie du schon sagst, das wurde viel positiver aufgenommen, als wir dachten. Ich hatte eher Bauchschmerzen bei den ersten Shows, haha, weil Rudi ins kalte Wasser geschmissen wurde. Ich kann mich noch an den ersten Gig mit ihm erinnern ...
Rudi: Das war ganz furchtbar!
Christoph: ... wie wir beide im Backstage standen und wussten, gleich geht es auf die Bühne. Da sagte Rudi noch: „Das war ’ne richtige Scheißidee!“ Haha! Das hat sich aber relativ schnell gelegt. Wir hatten ja noch eine Tour, bevor alles dichtgemacht wurde, und das wurde von Show zu Show immer besser. Das war auf der Bühne sofort alles rund, auch die Interaktion mit den Fans, die lief super, da Rudi eben von Natur aus ein sympathischer Mensch ist. Es gibt aber immer Leute, die es nicht geil finden, und das ist auch okay. Aber Veränderungen müssen manchmal sein, wenn es den Leuten nicht mehr gefällt, dann ist das halt so. Vielleicht macht Dave ja auch bald wieder Musik, er kündigt da schon länger was an, dann können sie ja das weiterhören.
Rudi: Man lernt ja auch viele Kritiker in der Zeit kennen. Und es sind natürlich auch viele Fans und Hörer zuerst skeptisch gewesen, aber haben sich dann doch überzeugen lassen. Das Feedback, das wir live bekommen haben, aber auch bei den Singles, war sehr positiv. Das macht mich natürlich glücklich, denn ich stand schon unter Spannung, ob die Leute mich akzeptieren werden.
Als Sänger stehst du ja auch ganz vorne. Ein neuer Bassist kann sich irgendwo hinten verstecken. Hast du dir jemals Gedanken gemacht, dass du jetzt mit jemandem verglichen wirst, der sehr extrovertiert ist?
Rudi: Doch, ständig. Ich höre ja auch viel Musik, und wenn bei den Bands, die ich mag, jemand wechselt, dann schau ich auch hin. Darüber habe ich schon nachgedacht. Dave hat schon Ausstrahlung auf der Bühne, der bringt was rüber, da steckt Erfahrung hinter. Da muss man erstmal mithalten. Das war nicht immer leicht, aber durch die netten Fans und die positive Kritik bin ich ganz gut damit klargekommen. Es macht viel aus, wenn du mit der Band auf der Bühne stehst, alle haben Spaß und machen das zusammen. Dann sind die Shows auch geil und man ist gut gelaunt, dann merkt das Publikum das. Wenn du Bock hast und dich gut verstehst, ist das wie mit Lachen, das steckt einfach an. Es macht viel aus, wenn du eine gute Live-Perfomance hast und Energie rüberbringst.
Christoph hat eben gesagt, dass er mit dir schon in einem anderen Kontext zusammengearbeitet hat. Hattest du das Gefühl, dass sich die Zusammenarbeit verändert hat, jetzt da du so gesehen in seiner Band bist?
Rudi: Christoph hat viel Erfahrung in der Hinsicht und gibt immer super Input, wenn er dabei ist. Das war immer sehr gut. Jetzt ist es so, dass ich das immer noch sehr schätze. Ich würde eher sagen, dass da Respekt ist, er ist das Masterbrain. Es gibt einfach viele Ideen und Varianten der Songs, die er ausprobieren will, und das schätze ich sehr. Er hat aber auch immer ein offenes Ohr für Input. Es ist jetzt schon etwas anders. Ich schätze aber sehr, was er macht, und bin sehr glücklich, dass ich da reingeraten bin.
Christoph: Ich denke, dass deine alten Projekte auch zu lange her sind, um das zu vergleichen. Ich glaube, dass Letzte, was wir gemacht haben, war mit ARCTIC ISLANDS?
Rudi: Ja, das ist wirklich schon länger her. Es hat sich auch viel getan in der Zeit. Es ist auf jeden Fall ein anderes Arbeiten, ich habe einfach sehr viel Respekt vor Christoph, weil so viel Arbeit dahintersteckt.
Christoph, wie haben sich aus deiner Sicht durch diese personelle Veränderung ANNISOKAY als Band, musikalisch und persönlich, verändert? Oder ist die Band so weit dein Projekt, dass das für dich gar nicht so einen Unterschied gemacht hat?
Christoph: Tatsächlich ist die Hälfte von „Aurora“ noch mit Dave entstanden. Es gab auch Kommentare bei den Songs, dass man hören würde, dass Dave nicht mehr die Texte schreiben würde und es sei nicht mehr so cool, oder dass ich so viel singen würde und Rudi nur wenig schreien. Aber das waren genau die Songs, wo Dave noch dabei war, haha! Die Fans machen sich da ihre eigenen Gedanken. Aber ich kann nur jedem, der uns nur wegen Dave gehört hat oder denkt, dass sich da jetzt krass was am Songwriting geändert hätte, sagen: Nein, das ist nicht passiert. Das soll Dave gegenüber nicht böse klingen, aber es war tatsächlich so, dass sein Anteil beim Songwriting und den Lyrics doch sehr gering war. Daher wird sich da nichts verändern. Es ist eher so, dass die Chemie in der Band – und ich bin mir sicher, Dave wird das auch verstehen – jetzt wieder ein super Level erreicht hat, es sind alle auf einer Wellenlänge und ist alles aus dem Weg geräumt, was uns damals gebremst und frustriert hat. Es ist einfach ein neues Feuer da, und das spornt mich natürlich beim Songwriting an. Ich habe auch wieder mehr Bock, härtere Songs zu machen, was vorher nicht mehr so der Fall war. Da wollte ich mehr Gesang und weniger Geschrei, und jetzt ist das umgekehrt. Wie gesagt, die Hälfte der Songs ist entstanden, da war Rudi noch gar nicht dabei, dadurch ist das auch ein interessantes Album geworden. Wir haben kurz überlegt, ob wir das Album selbstbetitelt machen sollen, weil wir uns so vollkommen fühlen, aber das war uns doch ein wenig zu langweilig.
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