It is still from their hearts. Vielleicht sogar noch intensiver, als je zuvor. Ihr viertes Album kann schon wieder ihr bestes Album werden. Wo soll das nur hinführen? Offenbar nahtlos schließt „Old Crows/Young Cardinals“ an die bisherige Entwicklung gen Punkrock an und kann wirklich jeden mitnehmen, der etwas für gute Texte, gute Musik und vor allem für schweißtriefende Leidenschaft übrig hat. Schon wieder sind es elf Songs, die einen für eine Dreiviertelstunde die Welt hassen, lieben und verändern lassen wollen. Gut gemacht, George, Wade, Dallas, Jordan und Steele! Das Denkmal ist in der Zwischenzeit schon fertig, doch was kommt jetzt? Zunächst erst mal ein Interview ...
Dass ihr euren dreistimmigen Gesang gekonnt zu einem eurer Trademarks gemacht habt, brauche ich nicht mehr zu erwähnen. Für „Old Crows/Young Cardinals“ habt ihr euch aber wieder ein Stückchen verändert. Wie kommt es, dass nicht nur durch Georges neue Art zu Schreien dieses Platte wirklich roh klingt und von Hördurchgang zu Hördurchgang zu wachsen scheint?
George: Meine Eltern haben das Gleiche gesagt. Je öfter sie die Platte hören, umso besser finden sie sie – und die beiden sind wirklich kritisch.
Wade: Ich habe mich mal mit einem Freund unterhalten, der mir gesagt hat, dass er sich Alben immer dreimal so nebenbei anhört, bevor er sich wirklich damit auseinandersetzt. Ich persönlich mag Alben, die einen über längere Zeit in ihren Bann ziehen können, sei es durch irgendwelche Soundtüfteleien oder diese besondere Stimmung, die die Songs erzeugen.
Dallas: Du musst Alben machen, die du selber hasst – dann werden sie den Leuten gefallen. Die Kritiker sind nunmal die besten Fans, und da hat er ja auch ein bisschen Recht. Es ist viel einfacher, es allen recht zu machen, ohne sich selbst weiterzuentwickeln. Ich denke, dass sich das Album in den Köpfen der Menschen, die ALEXISONFIRE schon länger kennen, erst entwickeln muss. Zum einen ist da ja Georges Geschrei, das sich geändert hat und so die Leute vor eine neue Herausforderung stellt, und zum anderen der neue Punkrock-Geist, den wir haben einfließen lassen. Unterm Strich ist „Old Crows/Young Cardinals“ vielleicht die reifste Platte bisher, die sich aber nahtlos in unsere Entwicklung einfügt.
George: Am Anfang waren wir schon mal in der Situation, dass die Leute uns nicht mochten, gerade wegen meiner Art zu schreien. Ich bin gespannt wie die Leute auf den neuen „George way of screaming“ reagieren ...
Deshalb passt auch das Statement „We are not the kids we used to be“ im Opener „Old crows“ perfekt zu eurer momentanen Situation, oder?
George: „Old crows“ ist ein Song über die Entwicklung, die wir als Band und als Individuen durchgemacht haben. Der Song ist sehr direkt und wenig kryptisch. Es geht weiter mit: „Stop wishing for yesterday!“
Wade: Dieser Song ist ein „mission statement“ genau wie „Get fighted“ und „Drugs“ von unseren beiden alten Alben. Mit solchen Songs, wollen wir klarmachen, wie wir über die ganze Geschichte ALEXISONFIRE denken.
Die Texte auf „Crisis“ sind inhaltlich eher kritisch geprägt. Wie sieht das mit den Texten auf „Old Crows/Young Cardinals“ aus?
Dallas: Nehmen wir zum Beispiel „Midnight regulations“: Ich hatte gelesen, dass der scheidende Präsident der USA in den letzten Tagen seiner Amtszeit – wenn der Nachfolger schon feststeht – die unsinnigsten Gesetze auf den Weg bringt, um sich quasi bei seinen Lobbyisten zu bedanken und seine reichen Freunde glücklich zu machen. Das nennt man in Amerika „midnight regulations“ und es ist mir wichtig, meine Kritik daran nicht nur in meinem Freundeskreis zu erörtern. George Bush hat mehr von diesen „midnight regulations“ in Gang gebracht als je ein Präsident zuvor. Der Bezug zu dem Song ist folgender: Wir waren gerade auf Tour in Amerika, als die Ausmaße der Finanzkrise offensichtlich wurden. Die kleinen Leute verlieren jetzt alles und die großen Bosse werden noch mit Subventionen vom Staat unterstützt. Solche Dinge lassen mich nicht los.
George: Der Song „Sons of privilege“ schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er handelt von der Generation von reichen Kids, die keine Wertrelation mehr haben. Einige von ihnen sind komplette Soziopathen. Für die ist es kein Problem, übers Wochenende mal eben zum Angeln nach Spanien zu fliegen. Als bestes Beispiel kann man doch Paris Hilton nehmen, die berühmt ist, ohne wirklich eine bemerkenswerte Leistung vollbracht zu haben. Über die Jahre hat sich diese „Elite“ in den Entscheidungsgremien der Regierung festgesetzt und es macht mir wirklich Angst, wenn ich darüber nachdenke, dass solche Leute mein Leben beeinflussen. Fuck those guys.
Ihr habt erwähnt, dass das Album auch eine Art Retrospektive hinsichtlich der Entwicklung der Band ist. Seid ihr froh, dass ihr von gravierenden Besetzungswechseln verschont geblieben seid?
George: Den einzigen Wechsel im Line-up hatten wir ja kurz vor den Aufnahmen zu „Crisis“. Seit wir Jordan an Bord haben, hat sich für uns einiges geändert. Wir waren nie mehr eine Einheit, als wir es jetzt sind. Fantastisch. Und dazu kommt, dass Jordan fast wie eine Maschine spielt und weniger Fehler macht als Dallas.
Lasst uns noch ein bisschen in der Vergangenheit herumkramen: „Crisis“ war für euch auch in kommerzieller Hinsicht ein Erfolg – zumindest in Amerika. Wie steht ihr im Nachhinein zu der Platte?
Dallas: Durch „Crisis“ haben wir eine Menge Leute kennen gelernt, aber auch viele aus den Augen verloren. Sie hat uns ermöglicht, Teile der Welt zu sehen und Erfahrungen zu machen, von denen wir nie geträumt hätten. Du willst aber bestimmt wissen, wie wir musikalisch zu dem Album stehen, oder?
Richtig, schließlich war der Schritt zwischen „Watch Out!“ und „Crisis“ doch einschneidend.
Wade: Wir sind immer noch stolz auf das Album und denken, dass wir genau das richtige Album für uns zu dem Zeitpunkt geschrieben haben. Ich habe aber auch gesehen, dass „Crisis“ die Leute – unsere Fans – in zwei Lager gespalten hat. Zum einen sind da diejenigen, die es auf den Konzerten nicht abwarten können, dass wir Songs von „Watch Out!“ spielen. Auf der anderen Seite sind dann da die Leute, die quasi mit der Band gewachsen sind. Mir sind beide recht, solange sie Spaß mit uns haben und sich ein wenig mit uns beschäftigen.
Dallas: Mit jedem Album versucht man, besser zu werden. Wenn du es aber mit deinem dritten Album nicht geschafft hast, kannst du einpacken. Du kannst auf deinem zweiten Album komplett verkacken, aber wenn dein drittes Album nicht gut wird – dann gute Nacht. Und da haben wir dann noch die Kurve gekriegt. Zumindest stieg unsere Popularität.
„Old Crows/Young Cardinals“ ist ein weiterer Schritt weg vom Screamo-Genre hin in Richtung Punkrock. Seht ihr das genau so?
Dallas: Ach weißt du, diese ganzen Genrebezeichnungen sind doch nur was für Journalisten. Sie dienen dazu, damit Leute Dinge einordnen können. Wir als Band wollen uns gedanklich nicht in irgendwelchen Schubladen bewegen. Wenn sich unsere Musik deiner Meinung nach wie Screamo anhört – okay. Wenn sich das neue Album nach Punkrock anhört – auch gut. Musik ist immer eine emotionale Geschichte und jedes Songwriting wird irgendwoher beeinflusst. Uns ist es egal, wo wir stehen.
Wade: Also ich finde, dass es schon eine Entwicklung in unserem Songwriting gab. Wir haben immer noch diese vertrackten Melodien wie früher, nur nicht mehr in dem gleichen Ausmaß. Dazu kommt, dass wir uns auch immer mehr zutrauen. Das Wichtigste ist aber, wie Dallas schon sagte, dass alles von Herzen kommt.
Ihr habt in der Zeit zwischen „Crisis“ und dem neuen Album ja an euren Soloprojekten getüftelt. Dabei ist CITY AND COLOUR – deine Band, Dallas – mächtig durch die Decke gegangen und kann, was die Popularität angeht, ALEXISONFIRE Konkurrenz machen. Wie hat sich das auf eure Zusammenarbeit ausgewirkt?
Dallas: Ohne ALEXISONFIRE wäre der Erfolg von CITY AND COLOUR niemals möglich gewesen. Die Leute haben das Ganze supportet, weil ich nunmal der Gitarrist einer ihrer Lieblingsbands war.
Steele: Die Mädels wollen immer nur Autogramme von Dallas. Das macht uns alle sehr traurig.
Dallas: Mir fällt es nicht schwer, zwischen den beiden Projekten zu differenzieren, wobei ich sagen muss, dass ALEXISONFIRE meine Band und CITY AND COLOUR mein Projekt ist.
Habt ihr euch jemals ausgemalt, wie eure Zukunft mit ALEXISONFIRE aussieht? Keine großen Besetzungswechsel, steigende Popularität – es sieht doch recht gut aus für euch. Könnt ihr zu dem Satz stehen: In zehn Jahren bin ich immer noch bei ALEXISONFIRE?
George: Ich habe eine Idee. Wir fangen jetzt an, eine Dokumentation zu drehen, um die nächsten zehn Jahre festzuhalten. Könnt ihr euch noch an die Doku über POISON IDEA erinnern? Da wurden alte Aufnahmen aus deren Anfangstagen gezeigt und da waren die alle noch echte Hemdchen. In etwa so wie wir jetzt. In deren letzten Jahren hat sich einiges getan – vor allem um die Hüftgegend herum. Wir machen das genau anders herum. Wir werden in den nächsten zehn Jahren so viel Abnehmen, dass die Regierung uns verbieten lassen muss, weil wir mit unserem Aussehen den Jugendlichen falsche Vorbilder sein werden. Ich sage nur „size zero“.
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