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WILD BILLY CHILDISH & CTMF

Brand New Cage LP / In The Devil’s Focus 10“ / I’ve Got A Conflicted Mind 7“

Ende 2016 erschien im Ventil Verlag die Anthologie „Damaged Goods“, deren Titel sich wie der des Londoner Labels, auf dem seit Jahren die meisten Billy Childish-Platten erscheinen, auf den Titel einer GANG OF FOUR-Single von 1978 bezieht.

In diesem Buch schreiben ungefähr fünfzig Menschen, darunter ich, über die subjektiv wichtigsten Punkbands. Hier und da finden Lesungen zu diesem Buch statt, und ich lese dann immer meinen Text über Billy Childish.

Weil Childish, der schnauzbärtige Künstler aus London, für mich alles verkörpert, wofür Punk steht: Aufrichtigkeit, einen moralischen Kompass, einen eigenen Kopf, klare Meinungen, ein gewisses Maß an Starrsinn, und dieses Mischung aus Genie, Dilettantismus und Talent.

Man muss ihn getroffen, ihn gesprochen haben, um ihn zu verstehen – ich hatte dieses Glück mehrfach. Wobei es dafür nicht mehr viele Gelegenheiten gibt, denn die Zeiten, da Childish mit den MILKSHAKES, HEADCOATS oder einer der Nachfolgebands regelmäßig auf Tour ging, sind vorbei.

Childish zieht es vor zu Hause zu bleiben und zu malen, damit seinem Haupterwerb nachzugehen. Das Gute aber ist: er hat den Spaß am Musikmachen nicht verloren und fügt seiner sowieso schon gigantischen Diskografie in relativ kurzen Abständen neue Einträge hinzu – fünf Alben in fünf Jahren sind eine Ansage.

Die „Produktion“ ist aber auch denkbar einfach: Gattin Julie spielt Bass, und sobald Billys alter Freund Wolf (trommelt) mal rüberkommt, ist die Band komplett. Entsprechend wird das neue Album auch begleitet von einer neuen 7“, „I’ve Got A Conflicted Mind“, deren B-Seite „In a parallel world“ in einer anderen Version ebenfalls auf dem Album enthalten ist – Komplettisten müssen die trotzdem haben.

Zudem gibt es noch die neue „In The Devil’s Focus“-10“ mit zehn Songs, die im Juli für die beiden BBC 6-Radiosendungen von Marc Riley und Gideon Coe aufgenommen wurden. Doch zurück zum (in meinem Fall kanariengelben) Vinyl-Album.

So frisch und prägnant habe ich Billy, bei aller Begeisterung für sein Schaffen, schon länger nicht mehr wahrgenommen, und ich mag auch seine Texte sehr, die zwar abgeklärt, aber nicht verbittert und keineswegs nostalgisch sind.

Gleich in zwei Texten („In the devil’s focus“, „The punk was in me (And it had to come out)“) nimmt er auf seine Jugend Bezug, distanziert sich aber nicht, feiert sich in Form des Covers sogar selbst, zeigt es doch ein Foto des 18-jährigen Billy, gemacht in einem Fotoautomaten in King’s Cross im September 1978.

Klasse: die beiden Lieder von Julie, die wohl nur auf massives Drängen von Billy hin entstanden sind. „It’s all gone wrong“ ist fast schon ein Popsong, „Bullet proof“ ähnlich cool. Wer bislang den Einstieg ins Childish-Universum versäumt hat, für den ist „Brand New Cage“ eine gute Gelegenheit.