„I don’t know if I want to live anymore [... ] I’m tired of being ugly and overweight.“ Das schrieb Deanna Templeton am 30.11.1987 in ihr Tagebuch. Da war die Kalifornierin, Jahrgang 1969, gerade 17. Ich finde es auch über 30 Jahre später noch mutig, wenn jemand seine Teenager-Gedanken so direkt – hier in Form der Reproduktion von Tagebuchseiten – veröffentlicht. Wie auch ihren Abschiedsbrief von 1985, in dem sie sich dafür entschuldigt, mit ihrem (nicht erfolgten) Suizid nicht bis zum 21. Lebensjahr gewartet zu haben. Die heute als Fotografin mit weltweiten Ausstellungen und mehreren Büchern erfolgreiche Templeton, die den Titel des Buches dem im Vorwort zitierten THE SMITHS-Song entnommen hat, erklärt an dieser Stelle auch: „I found my voice in music.“ Und wurde doch Fotografin. Mit 15 allerdings fing sie an auf Punk- und Metal-Konzerte zu gehen: THE CRAMPS, SOCIAL DISTORTION, NICK CAVE AND THE BAD SEEDS, D.O.A., P.I.L. sind nur die Bands der ersten Seite – eine gute Zeit, guter Musikgeschmack. Aber es geht hier nicht um Bandfotos (es sind nur einige Flyer abgedruckt), sondern um Fotos von Mädchen, jungen Frauen (im weitesten Sinne punkaffin), die Templeton viele Jahre nach Ende der Tagebuchaufzeichnungen (1984-88) in einem Zeitraum von zwei Jahrzehnten bei Zufallsbegegnungen auf Straße schoss: „They were either me when I was their age, or what I wished I could have been [...].“ Diese Fotos kontrastiert sie mit ihren (ausschnitthaften) Tagebucheinträgen, und der Effekt ist stark: Wer immer in jenen Jahren selbst als (Punk-)Außenseiter aufwuchs, wird diese Zerrissenheit, dieses Gefühl von Leere und Verzweiflung nachvollziehen können. Das Happy End: Der Ed von der letzten Seite ist bis heute Deannas Mann.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #156 Juni/Juli 2021 und Joachim Hiller