Zwischen 1999 und 2004 veröffentlichte das leider mittlerweile fast inaktive BYO-Label der Stern-Brüder Mark und Sean, die einst YOUTH BRIGADE gründeten und heute hinter dem Punk Rock Bowling-Festival in Las Vegas stecken, die „BYO Split Series“: LEATHERFACE trafen hier auf HOT WATER MUSIC (Vol. I), SWINGIN’ UTTERS auf YOUTH BRIGADE (Vol. II), NOFX auf RANCID (Vol. III), THE BOUNCING SOULS auf ANTI-FLAG (Vol. IV) und ALKALINE TRIO auf ONE MAN ARMY (Vol. V), und es wurde jeweils auch mindestes einmal wechselseitig gecovert. In diesem Kontext, in dieser Tradition ist diese Split-Platte zu sehen, wo sich NOFX (US-West Coast) und Frank Turner (geboren in Meonstoke im Süden Englands, einst das Gebiet des historischen Königreichs Wessex) begegnen. Man könnte meinen, hinter so einer Platte stecke eine jahrlange Freundschaft, ein lange geplantes Projekt sei endlich umgesetzt worden, dabei war die wechselseitige Wertschätzung bis vor einer Weile eher ungleich verteilt: Als Hardcore-Kid – Turner ist 14 Jahre jünger als Fat Mike – war dieser schon in den Neunzigern Fan von NOFX, wohingegen, wie Turner erzählt, Fat Mike es bis in die jüngere Vergangenheit geschafft hatte, Turner weitgehend zu übersehen und erst spät zu „entdecken“. Aber besser eine späte Liebe als ewig aneinander vorbei leben oder so. Und so machten sich beide Seiten daran, sich mit dem Schaffen des jeweils anderen vertraut zu machen, wobei Turner sich auf NOFX-Songs aus den Neunzigern einschoss. Seine Wahl fiel auf „Scavenger type“, „Bob“, „Eat the meek“, „Perfect government“ und „Falling in love“, von der Popularität der Songs in Online-Playlisten ließ er sich dabei nicht leiten oder stören, wie er erklärt. Dass „Bob“ (trotzdem) dabei ist – reiner Zufall. Die Interpretationen von Turner und Band sind frei, es wird nicht versucht auf NOFX zu machen, sondern es ist „Turner spielt NOFX“. Mein Favorit: „Perfect government“, das fast schon zum Hit werden könnte. Andersherum ist es genauso: NOFX machen sich über „Substitute“, „Worse things happen at sea“, „Thatcher fucked the kids“ „Ballad of me and my friends“ und „Glory Hallelujah“ her, wobei Fat Mike zum Zeitpunkt seiner Auswahl die von Turner ausgesuchten NOFX-Songs schon kannte und entsprechend grünes Licht gegeben sah, sich ebenfalls eher an dessen Frühwerk zu bedienen. NOFX mit Fat Mikes markanter, krähender Stimme können immer nur nach NOFX klingen, und so haben sie Turners Lieder auch vollständig nofxisiert. Fat Mikes Favorit: „Falling in love“. Meiner: Die Atheisten-Hymne „Glory Hallelujah“, die echt so klingt, als sei das ein ureigener Fat Mike-Song. Im Rückblick sind beide Seiten sehr zufrieden mit dieser Aktion, und aus Split-Series-Fan-Sicht wäre jetzt natürlich Nachschub wünschenswert. Mein Vorschlag: NOFX vs. NAPALM DEATH.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Joachim Hiller