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WATCHMEN - DIE WÄCHTER

In Ox #83 war ich in meiner Besprechung von Alan Moores Comic-Meisterwerk bereits ausführlich auf Zack Snyders exzellente Verfilmung eingegangen, der mich mit seiner Version von Frank Millers „300“ noch enttäuscht hatte.

Mit WATCHMEN hat er auf jeden Fall eine der besten und vielschichtigsten Comicverfilmungen der letzten Jahre gedreht, dem manche Leute schon den Kultstatus vorhersagen, den auch BLADE RUNNER erst mit einiger Verspätung erhielt.

Sympathisch an WATCHMEN ist, dass er nicht für ein durchschnittliches Mainstreampublikum gemacht ist, denn trotz einer opulenten Ausstattung und durchaus actionreichen Szenen, wird die Geschichte über die verbale Interaktion zwischen den Akteuren transportiert.

Ja, es wird viel gequasselt in Snyders Film, aber ähnlich wie in Tarantinos äußerst gelungenem INGLOURIOUS BASTERDS ist das nicht nur reiner Selbstzweck, sondern entscheidender Teil einer immer fesselnden Dramaturgie, mit der man natürlich kein Publikum mit begrenzter Aufmerksamkeitsspanne erreichen kann, zumal WATCHMEN ja auch eine echte moralische Botschaft besitzt („In my opinion, the existence of life is a highly overrated phenomenon.“).

Für Warner, die WATCHMEN in den Staaten zusammen mit Paramount vertreiben, deshalb anscheinend bisher ein finanzieller Flop, da man die hohen Produktionskosten von 180 Millionen US-Dollar gerade wieder reingeholt hat – was für ein Irrsinn.

Also rollt jetzt die Vermarktungswelle mit unterschiedlichsten DVD-Versionen an. Den Anfang machte ein um 20 Minuten längerer „Director’s Cut“, Snyders bevorzugte Version. Und zum Weihnachtsgeschäft wird es dann die noch längere „Ultimate Edition“ geben, bei der die Szenen aus dem Animationsfilm TALES OF THE BLACK FREIGHTER in WATCHMEN integriert werden sollen.

In Moores Comic nur eine Art Nebenhandlung, die ein Schwarzer Junge an einem Zeitungsstand in einem Comic liest. Den gibt es auch in Deutschland bereits separat auf DVD, „ab 18“ freigegeben aufgrund doch einiger recht derber Szenen, und ergänzt um eine amüsante Fake-Doku über Hollis Manson, ein Superheld der ersten Generation aus den 30er Jahren in der Parallelwelt von Moores Comic.

Da Paramount in Deutschland alleine den Vertrieb übernommen hat, muss man hier im Moment mit der Kinofassung auf DVD vorlieb nehmen, die es allerdings auch schon in vier verschiedenen Versionen gibt.

Die ist soweit auch völlig okay, aber wenn man einmal den Director’s Cut gesehen hat, möchte man bestimmte Szenen einfach nicht mehr missen, die den Film tatsächlich ungemein bereichern. Vor allem die Szene, in der Hollis Mason, der erste Nite Owl, von einigen „Punks“ zu Tode geprügelt wird, sich aber noch fleißig wehrt und seine Angreifer sich dabei in die alten Superschurken aus den 30er Jahren verwandeln, eine wirklich schöne wie effektive Szene.

Und ein bisschen mehr Sex und Gewalt gibt es auch noch. Ob diese Fassung in nächster Zeit den Weg nach Deutschland findet, steht gerade allerdings in den Sternen, da Paramount offenbar die zusätzliche Synchronisation scheut und befürchtet, die einträglichere „ab 16“-Freigabe bei der neuen Prüfung zu verlieren, was durch die Integration der Szenen aus TALES OF THE BLACK FREIGHTER auf jeden Fall passieren würde.

Für Leute, die WATCHMEN bereits kennen und mögen, bleibt da nur der Griff zum Import aus den Staaten. Alle anderen sehen mit der knapp 160-minütigen Kinofassung keinen unbedingt schlechteren Film, der das Kunststück vollbracht hat, eine angeblich unverfilmbare Vorlage adäquat und nur leicht verändert auf die Leinwand zu bringen und das Superhelden-Genre dabei clever auf den Kopf zu stellen.

Ein auch in visueller Hinsicht beeindruckender, erwachsener Film mit reichlich Popkultur-Verweisen, der nicht nur Comic-Nerds ansprechen müsste. In musikalischer Hinsicht sehr schön eingerahmt durch Bob Dylan.

Einmal durch dessen Song „The times they are a-changin’“ beim Vorspann und am Ende durch „Desolation row“ in der sympathisch punkigen Version von My Chemical Romance. Möglicherweise ein echtes, ambitioniertes Meisterwerk, aber darüber reden wir demnächst noch mal.