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SORRY3000

Warum Overthinking dich zerstört

Okay, ich gebe zu, ich wurde bestochen. Womit? Mit dem überaus charmanten Promopaket: Neben der CD gab es ein SORRY3000-Nasenspray, ein SORRY3000-Stofftaschentuch und einen medizinischen SORRY3000-Beipackzettel dazu. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn ohne Scheiß: Das hier ist die beste Platte der letzten Monate. Der „Nasenspray“-Song war schon ein kleiner Internet-Hit, zumindest in einer bestimmten popkulturellen Blase des Internets, der auch Namen wie Linus Volkmann und Paula Irmschler (hat übrigens auch den Infozettel für „Warum Overthinking dich zerstört“ geschrieben) nicht fremd sind. Davon abgesehen kommen SORRY3000 aus Halle. Sachsen-Anhalt. Klingt erst mal unspektakulär, aber hey: Gerade in solchen tristen Gegenden kann Langeweile zuweilen immer noch the key of Kreativität sein. Das kennen viele Landstrichbewohner:innen von ihren ersten Gehversuchen in Dillo-Punkbands, die die Welt vergessen hat. Mit herkömmlichem Punk haben SORRY3000 nichts am Hut. Musikalisch orientieren sie sich eher an den frühen Achtzigern. Unkommerzieller NDW, Synthie-Punk, New bis Coldwave. Stoische Beats aus der Maschine, monotone Keyboards, die billige Melodien spielen, und bloß keine Rockgitarren. Auch textlich ist das sehr spannend, denn vieles klingt wie vertonte Tagebucheinträge, denen es komplett egal ist, ob sich da was reimt oder nicht. Alltäglichkeiten und Befindlichkeiten werden mit monotoner Stimme vorgetragen, und gerade das macht dieses Album so unterhaltsam. Für die einen mag diese Platte sehr billig klingen, für andere dagegen wie die große Kunst, keine Angst davor hat, Fehler zu machen, weil es keine gibt. Allein für die Trans-Hymne „Francky“ müsste man die ganze Band umarmen, wenn’s denn gerade möglich wäre. Ihr wollt Referenzen? Könnt ihr haben: SCHNIPO SCHRANKE, LASSIE SINGERS Andreas Dorau, STEREO TOTAL – all die gewitzten deutschsprachigen Indiepop-Akteur:innen der letzten vierzig Jahre, in denen Frauen und nicht Typen mit Rock-Akkorden den Ton angegeben haben. Bestes Album des Jahres bisher.