Joël Sérias höchst subversiver Debütfilm „Und erlöse uns nicht von dem Bösen“ – ansonsten weist die Filmografie des Franzosen bis auf einige „Nestor Burma“-Filme wenig Bemerkenswertes auf – bekam in Deutschland für sein DVD-Release, die erste Veröffentlichung überhaupt hierzulande, einen sehr treffenden Titel verpasst, der auch seinen grundsätzlichen Ton bestens wiedergibt.
Denn die Hauptfiguren sind zwei 14-jährige Terror-Girlies, die eine Klosterschule besuchen, nach außen hin gut erzogen und unschuldig wirken, sich aber dem Satan verschrieben haben. Also wird gesündigt, was das Zeug hält, man stiehlt religiöses Zubehör für eine satanische Messe, beichtet Sünden, die man nie begangen hat, liest anstößige Literatur, treibt sadistische Spielchen mit dem Dorftrottel, was das Quälen hilfloser Tiere miteinschließt, und macht älteren Männern sexuelle Angebote, bis hin zum Mord.
Wem das bekannt vorkommt, hat wahrscheinlich schon mal „Heavenly Creatures“ von Peter Jackson gesehen, dessen Film ebenfalls den Mordfall „Pauline Parker/Juliet Hulme“ aus den Fünfzigern in Neuseeland aufgriff.
Während Jackson dabei mehr das Abdriften der Mädchen in eine märchenhafte Fantasiewelt in den Mittelpunkt rückte, ging es Séria vor allem um die Ablehnung des Christentums durch die Mädchen, weshalb „Und erlöse uns nicht von dem Bösen“ immer noch sehr deutliche blasphemische Tendenzen besitzt, auch wenn er heutzutage deutlich harmloser und fast schon schwarzhumorig wirkt.
Dabei gelang Séria aber eine immer noch sehr effektive und sehenswerte Verbindung aus tiefgründigerem Arthousekino und sleazigem Exploitationfilm. Zusätzlich gibt es auf der qualitativ ausgezeichneten DVD noch Interviews mit Regisseur Séria und Hautdarstellerin Jeanne Goupil.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #104 Oktober/November 2012 und Thomas Kerpen