TOTEN HOSEN

Laune der Natur / Learning English Lesson 2

Ich habe in den vergangenen Wochen niemand getroffen, der keine Meinung zu den TOTEN HOSEN hat. Erzählte ich, dass ich Campino zum neuen Album interviewt habe und die Platte echt okay finde, gab es immer eine klare Ansage – in der Mehrzahl entlang der Linie: „Oh nee, echt? ,Tage wie diese‘ war so schlimm ...“ Stimmt, das Lied ist schrecklich, das „Ballast der Republik“-Album von 2012 inklusive des „Die Geister die wir riefen“-Bonus-Coveralbums gefiel auch mir nicht, die Band war denkbar weit in den Mainstream gerutscht, doch entsprechend rekordverdächtig gut kam „Ballast ...“ insgesamt an.

Seltsam, dass eine so weit der Punk-Szene, aus der sie stammt, entrückte Band aber immer noch solch starke Emotionen hervorruft bei Menschen, die sich jener Subkultur zurechnen. Egal, das kann man konstatieren, sind die Hosen kaum jemandem – auch mir nicht.

Umso erfreuter war ich schon im Vorfeld, als sich gerüchteweise abzeichnete, dass es eine Fortsetzung von „Learning English“ aus dem Jahr 1991 geben wird: Aha, Jello Biafra in Düsseldorf, soso, Johnny Moped war mit den Hosen im Studio ...

Sollte sich da eine Rückbesinnung auf alte Werte ankündigen? Schön wär’s, denn auch mir waren die Hosen nie egal geworden, wohl deshalb missfiel mir das populistische „Ballast“-Album so gar nicht – enttäuschte Jugendliebe ...

Und nun also „Laune der Natur“, das mit dem „1, 2, 3, 4!“ eingezählten Opener „Urknall“ losbricht: ein Punk-Smasher alter Schule, eine Bestandsaufnahme, eine Abrechnung – „der Manager ist tot“ (Jochen Hülders), „zum Anfang, zum Urknall, als wär nichts passiert“, „wir sind zurück auf dem Bolzplatz“.

Ein Schlüsselsong, dem im Booklet noch einleitende Worte zum Entstehungskontext und zur Verfassung der Band nach dem Tod von Hülders und Ex-Schlagzeuger Wölli zur Seite gestellt werden. Ähnlich wütend der „Facebook-Song“ „Pop und Politik“ und „ICE nach Düsseldorf“ – alte Schule, ey.

Ohne kalauerndes Stück geht es aber nicht, bei „Wannsee“ („... ich dich endlich wieder“) kann man nur grinsend den Kopf schütteln, der Titelsong „Laune der Natur“ über die menschengemachte Erderwärmung taugt mit seinem fröhlichen Ska-Rhythmus nur bedingt zum Feiern, wie auch das abschließende „Kein Grund zur Traurigkeit“, für das eine alte Aufnahme von Wöllis Stimme eingesetzt wurde – klingt wie Johnny Cash.

Tatsächlich also kann ich mir das Album mit Genuss durchhören. Und erst recht die Bonusscheibe „Learning English Lesson 2“ mit 23 DTH-Coverversionen alter Punk-Klassiker, jeweils mit einem Sänger der geehrten Helden aufgenommen, immer sehr nah dran am Original.

Meine Favoriten: „Staring at the rude boys“ (RUTS), „The sound of the suburbs“ (THE MEMBERS), „The jinx“ (PETER AND THE TEST TUBE BABIES), „Darling, let’s have another baby“ (JOHNNY MOPED).