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TÖDLICHES KOMMANDO –THE HURT LOCKER

Gerade eben ging Kathryn Bigelow zwar bei der Golden Globes Verleihung leer aus, aber dass sie überhaupt in mehreren Kategorien nominiert war, zeigt, dass ihr aktueller Film THE HURT LOCKER eine Rückkehr zu alter Form ist.

Denn in der Männerdomäne Actionfilm hat sie quasi als einzige Frau mit Werken wie BLUE STEEL, GEFÄHRLICHE BRANDUNG (POINT BREAK) und STRANGE DAYS künstlerisch anspruchsvolles Unterhaltungskino abgeliefert, was auch für ihren ungewöhnlichen Vampirfilm NEAR DARK von 1987 gilt.

Nach STRANGE DAYS von 1990 kam allerdings nur noch wenig von ihr, und das war auch nicht besonders toll. Und dass es sich bei THE HURT LOCKER dann ausgerechnet um einen Film über den Irakkrieg handelte, verhieß wenig Gutes.

Aber Bigelow ist damit ein echter Überraschungshit gelungen. In ihrer auf einem Drehbuch des Journalisten Mark Boal (von dem auch die Vorlage zu IN THE VALLEY OF ELAH stammt) basierenden Auseinandersetzung mit diesem Thema geht es nicht um eine generelle Analyse dieses Konflikts, sondern um die eher persönliche Perspektive der beteiligten Soldaten.

Wobei der Schauplatz für THE HURT LOCKER an sich austauschbar wäre, aber er stellt eben einen gerade aktuellen Bezugspunkt dar. Das Augenmerk liegt dabei auf dem täglichen Russischen Roulette einer amerikanischen Bombenentschärfungseinheit im Irak, angeführt von einem gewissen Sergeant James (Jeremy Renner, der auch schon mal recht gelungen den Serienkiller Jeffrey Dahmer verkörpert hatte), einem Gefahrenjunkie mit Todessehnsucht.

Denn für Boal und Bigelow ist Krieg vor allem eine Droge, deren Rausch die üblichen gefährlichen Nebenerscheinungen besitzt, nämlich Abhängigkeit und Tod. THE HURT LOCKER entpuppt sich dabei als selten an Intensität verlierender, wahrer Adrenalinstoß, bei dem Bigelow sehr um Realismus bemüht ist und in fast dokumentarischer Detailverliebtheit das risikoreiche Handwerk der Bombenspezialisten – mit Hilfe von ferngesteuerten Robotern oder im speziellen Vollschutz-Anzug – in einen packenden Film gepackt hat, der auch immer noch gewissen Genrekonventionen gehorcht.

Das merkt man vor allem an der Figur des Sergeant James, der zwar immer Identifikationsfigur mit allen dazugehörigen menschlichen Schwächen ist, aber dessen fast an Irrsinn grenzende Todessehnsucht oft allzu überzeichnet, wenn nicht sogar völlig übertrieben ist, zumal der Kerl auch noch Frau und Kind hat.

Ein lonesome Cowboy ohne Hut und Pferd, der sich auf staubigen Straßen einem ungleichen Duell stellt. Dafür erspart uns Bigelow jegliche Form von patriotischer Billigpropaganda. Denn in THE HURT LOCKER geht es glücklicherweise nicht um böse arabische Terroristen und gute amerikanische Soldaten, sondern in erster Linie um ganz „normale“ Menschen, die in einer Extremsituation ihren Job erledigen und dabei vor allem daran interessiert sind, dass ihnen der Sprengsatz nicht um die Ohren fliegt, ob das jetzt ihrem Vaterland nützt oder nicht (Colonel Reed: „What’s the best way to go about disarming one of these things?“ - Sergeant James: „The way you don’t die, sir.“).

Natürlich gibt es auch dabei immer wieder Szenen, die Produkt eines gesteigerten paranoiden Weltbildes sind, denn im Prinzip könnte jeder dunkelhäutige Typ mit Rauschebart und Handy den Auslöser für die Bombe in der Hand halten, was aber äußerst nachvollziehbar ist.

Was viele andere Regisseure vor ihr versucht haben, ist Bigelow mit THE HURT LOCKER eindrucksvoll gelungen, die intelligente Symbiose aus ambivalentem Antikriegsfilm und spannendem Actionkino, bei dem sich auch erneut in visueller Hinsicht ihr Gespür für subtil eingesetzte überästhetisierte Bilder zeigt, wie bei den wundervollen Zeitlupen-Sequenzen der Explosionen – Sam Peckinpah wäre stolz auf sie.

Die Extras der seit Dezember erhältlichen DVD sind zwar nicht weiter erwähnenswert, aber der Film allein ist schon sein Geld wert.