TIERISCHE LIEBE

Vor Urzeiten hatte ich Ulrich Seidls Dokumentation TIERISCHE LIEBE bereits schon mal an dieser Stelle besprochen und irgendwie ist das Zitat von Werner Herzog über den Film - "Noch nie habe ich im Kino so geradewegs in die Hölle geschaut" - stärker haften geblieben als der Film selbst, vielleicht auch eine Form von Verdrängung.

Damals wirkte Seidls die Grenzen einer normalen Dokumentation sprengende, bisweilen allzu inszenierte Zurschaustellung der befremdliche Ausmaße annehmenden Zuneigung vereinsamter Wiener Großstadtmenschen zu ihren Haustieren sicherlich noch verstörender als heute, wo ja im Fernsehen jeder noch so kranke Scheiß breitgetreten wird.

Auch wenn der Titel vielleicht anderes vermuten lässt, geht es Seidl natürlich nicht um sexuelle Perversionen, so weit geht auch er nicht, ihn interessiert viel stärker, wie Tiere zum Ersatz für menschliche Lebenspartner werden und welch bizarren Blüten diese Tierliebe oft treibt.

Nach HUNDSTAGE oder seinem aktuellen Film IMPORT EXPORT kennt man Seidls Form der Provokation inzwischen, aber dass die FSK hier doch allen Ernstes noch ein Jugendverbot ausgesprochen hat, spricht durchaus noch für die unveränderten Schockqualitäten seiner ungeschminkten Entblößung menschlichen Extremverhaltens.

Durch TIERISCHE LIEBE hat sich Seidl sicher vor allem seinen Ruf als gnadenloser Misanthrop eingehandelt, aber letztendlich sind die Misanthropen diejenigen, die er hier in seinem Film ausstellt und die man eigentlich nur bemitleiden kann, soweit diese Form von Anteilnahme nicht bereits von blankem Ekel abgelöst wurde.

Harter Tobak, wie man so schön sagt, und quasi eine Fortführung von DIE LETZTEN MÄNNER von 1994, in dem es ihm um die Vorliebe Wiener Männer für thailändische Katalog-Frauen ging, aber in seiner abstoßenden Ehrlichkeit bestimmt einer der relevantesten Dokumentarfilme der 90er Jahre, wo einem das manchmal durchaus angebrachte Lachen schnell im Halse stecken bleibt.

TIERISCHE LIEBE wurde von Alamode jetzt ebenfalls auf DVD veröffentlicht, bis auf den Trailer leider ohne Extras, da wären ein paar klärende Worte von Seidl sicher interessant gewesen.