Hippies als Bürgerschreck, die „Gammlerbewegung“, Rockmusik als Feindbild der Elterngeneration, die die schweren Jahre des Zweiten Weltkriegs miterlebte und Jazz, Rock’n’Roll oder Blues als „Hottentotten-Musik“ abklassifizierte, auf der anderen Seite die Auflehnung gegen bürgerliche Elternhäuser, gegen Post- und Neofaschismus und die Spießergesellschaft – das waren die prägenden Themen des Generationenkonflikts, der in Deutschland Ende der Sechziger zu Universitätsbesetzungen, Straßenschlachten und in letzter Konsequenz zum RAF-Terror führte.
Der Berliner Soziologe Max Lill, als Journalist und freier Autor tätig, befasst sich in seiner Studienabschlussarbeit mit dem Verhältnis von Musik und Jugendprotest in den 1960er Jahren. Das Archiv der Jugendkulturen hat die überarbeitete und stark erweiterte Schrift als Buch veröffentlicht.
Lill geht akribisch und streng wissenschaftlich vor. Im ersten Block grenzt er die Thematik ein, steckt Terminologien und soziologische Rahmenbedingungen ab, konkretisiert die im Diskurs häufig zu findenden Positionen zum Verhältnis von Musik und sozialen Bewegungen.
Weiterhin beschreibt Lill im sehr stark theorielastigen und vornehmlich für Soziologen interessanten zweiten Block Wandlungsprozesse im Bereich der Musik und den Strukturwandel der öffentlichen Wahrnehmung.
Für den reinen Musikfan interessant ist erst der letzte Teil. Dort geht Lill konkret und detailliert auf Biografien von typischen „Protestkünstlern“ ein. Am Beispiel von GRATEFUL DEAD und vor allem Bob Dylan überprüft er seinen theoretischen Ansatz.
Das Buch ist schwere Kost, allerdings bietet es auch tiefgründige Analysen der Protestbewegung auf höchstem akademischen Niveau.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #112 Februar/März 2014 und Gereon Helmer