Die Grundidee von James DeMonacos – Autor des hervorragenden „Verhandlungssache“ und des „Assault On Precinct 13“-Remakes – „The Purge“ klingt wenig überzeugend: Im 2022 sind Verbrechen und Armut in Amerika ausgemerzt und die Gesellschaft befriedet.
Doch einmal im Jahr werden die zivilisatorischen Errungenschaften für zwölf Stunden außer Kraft gesetzt. Wer es sich leisten kann, schließt sich in seinem gut abgesicherten Eigenheim ein, während draußen in kathartischer Form das Gewaltpotential des Menschen ein Ventil findet und so gleichzeitig auch noch die schwachen Mitglieder der Gesellschaft aussortiert werden – moderner Darwinismus halt.
James Sandin (Ethan Hawke), erfolgreicher Verkäufer von Sicherheitsanlagen, kann sich mit seiner Frau und seinen zwei Kindern ebenfalls in ein gut geschütztes Domizil zurückziehen, während draußen Mord und Totschlag herrscht, und sich somit auch der moralischen Verantwortung dafür entziehen.
Die Situation ändert sich allerdings schlagartig, als sein Sohn Charlie einen obdachlosen Schwarzen ins Haus lässt, dessen Verfolger anschließend das Anwesen der Sandins belagern. An dieser Stelle wird aus der etwas schwachbrüstigen, wenig futuristischen Zukunftsvision ein brutaler Home-Invasion-Thriller à la „Straw Dogs“, auch wenn er lieber eine Art moderner „Uhrwerk Orange“ oder Geistesverwandter von Michael Hanekes „Funny Games“ wäre.
Aber dafür ist „The Purge“ gerade im letzten Drittel zu schlampig und stereotyp inszeniert und kann sich nicht entscheiden, ob er politisches Lehrstück oder anspruchsloser Action-Film sein will.
Dafür besitzt er aber dann eine wirklich herrlich zynische und bösartige Schlusssequenz, die viele seiner Schwächen wieder aufwiegt. Ein zweiter Teil ist in Planung, aber man sollte da nicht allzu gespannt sein.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #110 Oktober/November 2013 und Thomas Kerpen