Mit seinem Spielfilmdebüt „The Witch“ von 2015, einem um eine möglichst geschichtstreue Darstellung bemühten Okkult-Thriller, und dem Nachfolger „Der Leuchtturm“ von 2019, der auf die Schwarzweiß-Ästhetik der Filme der 1930er Jahre zurückgriff, zwischen Gothic-Horror und deutschem Expressionismus, hatte sich der US-amerikanische Regisseur Robert Eggers auf ungewöhnliche Weise dem Genre-Kino genähert. Sein aktueller Historien-Rachethriller „The Northman“ mit Alexander Skarsgård erscheint dagegen wie eine opulent bebilderte Mischung aus „Conan der Barbar“ und Nicolas Winding Refns „Walhalla Rising“, bei der aufgrund einer Länge von gut zwei Stunden etwas mehr inhaltlicher Tiefgang wünschenswert gewesen wäre. An immer wieder beeindruckend atmosphärischen Momenten mangelt es dieser schön blutigen Schlachtplatte aber nicht, auch dank der Filmmusik von Robin Carolan und Sebastian Gainsborough mit ihren bedrohlichen neo-folkloristischen Ambient-Drone-Soundscapes und Verweisen auf die martialischen Klänge von „Conan“-Komponist Basil Poledouris. Das Drehbuch schrieb Eggers mit dem isländischen Autor Sjón, der bereits in den Achtzigern mit Björks damaliger Band THE SUGARCUBES zusammengearbeitet hatte, die auch in einer Nebenrolle in „The Northman“ zu sehen ist. Zwar basiert der zur Zeit der Wikinger spielende Film auf einer altdänischen Sage aus dem 10. Jahrhundert – ebenfalls Ursprung von Shakespeares „Hamlet“ –, aber man hat oft das Gefühl, dass das angepeilte Publikum Fans der Serie „Vikings“ und des aktuellen Spin-Offs „Vikings: Valhalla“ sind. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass Eggers Mischung aus brutalem Rachefeldzug und spiritueller Reise am Ende dennoch eine Tragödie Shakespeare’schen Ausmaßes mit durchaus intimen Momenten liefert.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #163 August/September 2022 und Thomas Kerpen