Bekanntlich wird der Überbringer einer schlechten Nachricht oft stellvertretend für deren Ursache zur Verantwortung gezogen, zumindest war das in der Antike so. Das ist im Prinzip auch die Prämisse für Oren Movermans Regiedebüt THE MESSENGER, von dem auch das Drehbuch zum Bob-Dylan-Biopic I’M NOT THERE stammt.
Ein weiterer Film über das noch frische Trauma des Irakkriegs, in dem es um einen vermeintlichen Kriegshelden namens Will Montgomery (Ben Foster) mit posttraumatischen Stresssyndromen geht, der durch einen Sprengsatz schwere Verletzungen erlitten hat und zurück in die Heimat geschickt wird, und dort versucht, wieder in der Gesellschaft Fuss zu fassen.
Seine restliche Dienstzeit verbringt er fortan damit, zusammen mit, dem in diesen Dingen erfahrenen, Colonel Tony Stone (Woody Harrelson) Hinterbliebenen gefallener Soldaten die Meldung von deren Tod zu überbringen.
Ein in emotionaler Hinsicht durchaus belastender Job, denn die beiden werden dabei mit unterschiedlichsten Reaktionen konfrontiert, die von passiver Resignation bis hin zu direkter Aggression gegen die Boten reichen, die wie schon gesagt ja nur die Überbringer der schlechten Nachricht sind, aber nun mal in diesem Moment stellvertretend für die Institution Armee den Prellbock spielen müssen.
Das zeigt Moverman auf recht nüchterne und realistische Weise, gleichzeitig thematisiert er natürlich auch die inneren Konflikte Montgomerys hinsichtlich seiner Arbeit und den Folgen seiner Erfahrungen im Irak. Seine Schuldgefühle in Verbindung mit dem Bedürfnis nach menschlicher Nähe bringen ihn dann dazu, den Kontakt zu einer Frau zu suchen, der er kurz zuvor noch die Nachricht vom Tod ihres Gatten überbracht hatte, keine ganz unproblematische Beziehung.
THE MESSENGER driftet dabei glücklicherweise nie in irgendwelche emotionalen Kitsch-Gefilde ab, sondern zeigt Menschen, in denen für lange Zeit irgendetwas zerbrochen ist, das sich nicht so leicht wieder kitten lässt.
Und so belasten Montgomery die inneren Verletzungen wesentlich mehr als die äußeren. Die besten Filme über den Krieg sind eigentlich die, in denen der Krieg überhaupt nicht vorkommt, und so dient Moverman der Irakkrieg nur als Katalysator, um die damit verbundenen menschlichen Nöte aus ihrer Anonymität herauszulösen und für jeden greifbar zu machen, unabhängig davon, welche politische Meinung man dazu haben mag.
Deutlich wird dabei aber auf jeden Fall, dass hier keinerlei Form von Patriotismus mitschwingt, wobei Moverman durchaus Verständnis für die Kriegsheimkehrer wecken will, bei denen aber die Motivation im Dunklen bleibt, wieso sie sich überhaupt eine Uniform übergestreift haben, um an dieser kriegerischen Auseinandersetzung teilzunehmen.
Das ist sicherlich die größte Schwachstelle von THE MESSENGER, denn wie soll man Anteil am Schicksal bestimmter Menschen nehmen, wenn man deren eigentliche Motivation nicht erfährt. Ansonsten ist THE MESSENGER aber ein sehr gelungener, psychologisch vielschichtiger Film geworden, der ohne große Effekthascherei und ambitioniert das menschliche Antlitz des Krieges zeigt, dabei sogar einige irritierende aber nicht unpassende humorvolle Momente besitzt, und in dem Woody Harrelson und Ben Foster exzellente darstellerische Leistungen abliefern.
Selbst Samantha Morton, die mir ansonsten eher auf die Nerven geht, lasse ich mir hier als trauernde Witwe gefallen, meine erste Wahl für diese Rolle wäre sie dennoch nicht gewesen. Man kann noch nicht mal sagen, dass THE MESSENGER ein typischer Antikriegsfilm wäre, entgegengesetzte Statements gibt es genauso wenig.
Aber vielleicht macht ja gerade das Movermans Film aus, der die Menschen mit all ihren Widersprüchen ohne irgendwelche Vorverurteilungen in den Mittelpunkt stellt, wodurch man auch einem verbitterten Kommisskopf wie Colonel Tony Stone noch sympathische Seiten abgewinnen kann.
Die Kauf-DVD dieses sehenswerten Film erscheint Anfang Oktober, versehen mit einem Audiokommentar des Regisseurs und einer Dokumentation über die „Casualty Notification Officer“ der U.S. Army, um deren Arbeit es in THE MESSENGER geht.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #92 Oktober/November 2010 und Thomas Kerpen