Als Wayne Kramer, Jahrgang 1948, Mitte/Ende der Neunziger mit seinen Alben auf Epitaph sein Comeback feierte, kam er mir uralt vor, wie ein Botschafter aus einer anderen Welt. Schließlich war er mit seiner Band MC5 in der zweiten Hälfte der Sechziger schon parallel zu Iggy und den STOOGES der Vorbote von Punk gewesen, seine Band härter als alle anderen jener Zeit, die Texte politischer, ihr Manager John Sinclair so radikal, dass er dafür in den Knast ging.Kramer war damals, bei seinem Comeback, jünger als ich es heute hin, und hatte definitiv mehr und Krasseres erlebt als ich.
Trotzdem – oder deshalb– hat er noch 20 weitere Jahre gebraucht, um seine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Was wahrscheinlich gut war so, denn wenn man den Epilog liest, ist er erst jetzt angekommen: drogenfrei, in einer glücklichen Beziehung, mit einem adoptierten fünfjährigen Sohn.
Viele Jahrzehnte davor waren ein Kampf. Erst eine mal mehr, mal weniger glückliche Kindheit im boomenden Detroit der Fünziger. Dann der Rock’n’Roll, MC5, die bürgerkriegsähnlichen Zustände des Jahres 1967, Erfolg als Musiker, Drogen, Absturz, Knast – und dann in den Neunzigern das Comeback, die Anerkennung für MC5 als Pioniere des Punk, sein Engagement für Knastinsassen.
Kramer hat eine packende Autobiografie verfasst, die ohne Eitelkeit auskommt, ohne Glorifizierung, deren Stärke darin besteht, dass er es versteht Zusammenhänge knapp, aber intensiv zu beschreiben, speziell die Passagen über den Niedergang von Detroit und die Riots im „Summer of Love“ sind spannend.
Bücher über Punk gibt es viele, dieses sticht heraus, weil es eines der wenigen ist, die die Zeit davor abdecken.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #142 Februar/März 2019 und Joachim Hiller