Für die erste Punk-Generation dürften die Briten YES mit ihrem Bombast-Sound und prätentiösem Endlos-Gitarrengefrickel an der Grenze zum Overkill auf der Liste verhasster Siebziger-Rockbands eine Spitzenposition belegen – und das wahrscheinlich zu Recht.
Dumm nur, wenn plötzlich Leute aus den eigenen Reihen zu Nestbeschmutzern werden, wie etwa Ex-BUZZCOCKS-Sänger Howard Devoto, der mit seiner Band MAGAZINE genau solche verhassten Progrock-Elemente aufgriff.
Für einen selbst stellte sich dieses Problem erst gar nicht, da das YES-Album „90125“ von 1983 für die eigene musikalische Sozialisation sicherlich wichtiger war als „Never Mind The Bollocks“ oder „Fresh Fruit For Rotting Vegetables“.
Allerdings war der Schritt zurück in die YES-Frühzeit für ein Kind der Achtziger damals extrem schmerzhaft, wenn nicht sogar unmöglich. Heutzutage ist das weniger problematisch, und da wirkt „90125“ eher wie ein Fremdkörper im Schaffen der Band.
Zumal der Dinosaurier YES zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon im Sterben lag, denn das Vorgängeralbum „Drama“ war 1980 ohne den Frontmann Jon Anderson entstanden, der die Band wegen persönlicher und kreativer Differenzen verlassen hatte.
Als gar nicht mal schlechten Ersatz holte man sich Trevor Horn von THE BUGGLES, der dann mit ART OF NOISE und seinem Label ZTT maßgeblich den Sound der Achtziger prägte. Horn verpasste dann auch „90125“ einen faszinierenden modernen Sound und bescherte YES eines ihrer erfolgreichsten Alben, das deutlich dessen Handschrift trägt.
Zwar musste man auf den charakteristischen Schriftzug und die Fantasy-Cover von Roger Dean verzichten, dafür war Jon Anderson wieder mit im Boot. Vier Jahre später versuchte man dasselbe Kunststück mit „Big Generator“ erneut, produzierte aber nur musikalischen Sondermüll, womit die goldene Ära von YES endgültig beendet war, wobei es seitdem immer wieder Versuche gab, diesen Rock-Dinosaurier zu reanimieren.
Streng genommen war die goldene Ära von YES, die 1969 mit dem noch recht konventionellen selbstbetitelten Debüt begann, eigentlich schon 1978 mit „Tormato“ vorbei, einem völlig zerfahrenen Album, bei dem die unterschiedlichen Egos in der Band mehr oder weniger erfolgreich versuchten, irgendwie zum Zug zu kommen.
Dazwischen produzierten YES sieben mit Abstrichen beeindruckende Platten voller brillanter Momente in Bezug auf die virtuosen Soundteppiche und Melodiebögen der die Grenzen normaler Rocksongs immer wieder sprengenden, verschachtelten Kompositionen.
Wer sich preisgünstig einen Überblick über das Schaffen diese Wegbereiter und Erneuerer moderner Rockmusik machen will, ist mit dieser Box nicht schlecht beraten. Diese enthält alle zwölf Studioplatten bis 1987 in etwas primitiven Mini-LP-Replika, die den Nachteil haben, dass man darauf kaum etwas lesen kann, Innencover mit Texten fehlen sowieso, und die Bonustracks der hier enthaltenen remasterten Versionen von 2003 sind nur auf den CDs selbst aufgeführt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #112 Februar/März 2014 und Thomas Kerpen