In letzter Zeit ist meine Erwartungshaltung bezüglich des koreanischen Kinos doch arg gesunken, zu viel kommerzieller Mainstreammist, selbst Chan-wook Parks I’M A CYBORG, BUT THAT’S OK war letztendlich eine Enttäuschung.
Und da kommt plötzlich aus dem Nichts Na Hong-jins Regiedebüt THE CHASER (CHUGYEOGJA) daher, der zwar kein zweiter SYMPATHY FOR MR. VENGEANCE ist oder das Thriller-Genre neu erfinden würde, aber einen zwei Stunden lang gebannt in den Sessel presst.
Basierend auf den Taten eines real existierenden Serienkillers, der in Südkorea 2003/2004 sein Unwesen trieb. THE CHASER stellt den ehemaligen Cop Joong-ho in den Mittelpunkt seiner Geschichte, der inzwischen Zuhälter ist, weil er seinen Job wegen Korruptionsvorwürfe verlor, und der gerade auf der Suche nach einigen seiner Mädchen ist, offenbar die Opfer eines psychopathischen Killers wurden.
Dabei geht es ihm natürlich in erster Linie um kommerzielle Interessen, denn schließlich sind die Mädchen sein Kapital. Aber als eine weitere Prostituierte verschwindet, die er trotz hohen Fiebers auf die Straße geschickt hatte, regt sich in ihm auch seine menschliche Seite.
Fortan liefert sich Joong-ho mit einem äußerst sadistischen, skrupellosen Psychopathen ein verbissenes Rennen um die Zeit, dem die Unfähigkeit der Polizei immer wieder zu Hilfe kommt, um das Mädchen zu retten, das noch am Leben zu sein scheint.
THE CHASER war in diesem Jahr einer der erfolgreichsten koreanischen Filme, das will nicht viel heißen, aber er verdient diesen Erfolg tatsächlich. Denn mit der nihilistischen Intensität eines Horrorfilms entwickelt sich hier ein enervierendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem Ex-Cop und dem Serienkiller mit einigen extrem schmerzhaften Gewaltspitzen.
Dabei lässt sich THE CHASER in keine bestimmte Schublade stecken, es gibt Motive des Selbstjustiz- und Serienkiller-Films, Horror-Elemente à la SAW, sogar Buddy-Movie-Anklänge, wenn sich Joong-ho der kleinen Tochter der Prostituierten annimmt, was aber höchst unsentimental abläuft.
Letztendlich ist Na Hong-jin ein toll gefilmter, ungemein packener und düsterer Neo-Noir-Thriller mit sympathisch ambivalenten Charakteren und einem klassischen Antihelden gelungen, der immer wieder überraschend die Richtung wechselt.
Wie bei jedem Thriller der letzten 30, 40 Jahre kann man auch bei THE CHASER auf seinen manchmal unplausiblen Momenten herumreiten und diese zerreden, aber die haben durchaus etwas realistisches an sich, denn das Leben läuft nun mal nicht wie im Film ab, und die ändern auch nichts an der grundsätzlichen Wucht dieses wahren Adrenalinrausches.
Das sahen die Amis wohl genauso und sicherten sich bereits die Remake-Rechte. Hoffen wir mal, dass DEPARTED-Autor William Monahan daraus nicht wieder den üblichen verwässerten Mist für den US-Markt macht.
Ab Mitte Dezember als Kauf-DVD ohne jegliche Extras erhältlich, dafür gibt es wenigstens den deutsch untertitelten Originalton.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #81 Dezember 2008/Januar 2009 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #139 August/September 2018 und Thomas Kerpen