Einer der eigenwilligsten und interessantesten Charaktere der britischen Musikszene ist zweifellos Billy Childish. Der wurde am 01.12.1959 in Chatham als Steven Hamper geboren und im Kontext seines Flirts mit Punk kam der Künstlername. Seitdem erschienen hunderte Platten mit seiner Musik unter ständig wechselnden Bandnamen. Er wurde trotz seiner Dyslexie Autor, veröffentlicht bis heute Gedichtbände und Romane (auch autobiografische), und seine eigentliche Künstlerkarriere findet längst in der Welt der Malerei statt. Der Mann mit dem markanten Schnauzbart ist ein Phänomen, ein wortgewaltiger und immer interessante Perspektiven aufzeigender Interviewpartner, ein sprudelnder Quell von Ideen, und der britische Musikjournalist Ted Kessler (einst NME, dann viele Jahre und bis zum Schluss 2020 bei Q) hat nun die Aufgabe gemeistert, dessen schillernde, mäandernde Lebensgeschichte in die Seiten eines Buches zu pressen. Und wie der Untertitel es verrät und wie es für wichtigtuerische deutsche Rockstars mit einer irren Obsession für Interviewfreigaben undenkbar ist, gab Childish seinem Biografen freie Hand: keine Erwartungen, keine Eingriffe, nur eine ihm gerecht werdende Darstellung als Bedingung. Was für eine sympathische, abgeklärte Attitüde gegenüber einem Autor, dessen Arbeitgeber Childish einst den Song „(We hate the fuckin’) NME“ gewidmet hatte. Entstanden ist ein spannendes Buch über einen komplexen Künstler, der ein absoluter Freigeist ist und offen umgeht mit seinem Bemühen um seelische Gesundheit. Ergänzend gibt es Fotoseiten mit Plattencovern, Gemälden und alten (kein Bart!) Fotos sowie aktuellen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #176 Oktober/November 2024 und Joachim Hiller